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Kirche in WDR 3 | 26.07.2023 | 07:50 Uhr
Die Emschergroppe lebt
Guten Morgen!
Fast romantisch sieht das aus, wie die Boye sich durch die saftige Wiese schlängelt. Viele hundert Tier- und Pflanzenarten leben hier, in und um den kleinen Fluss. Die Boye entspringt im Bottroper Norden und fließt dann durch Gladbeck, bevor sie in die Emscher mündet. Vor ein paar Jahren hat es hier noch ganz anders ausgesehen: Durch karge Betonrinnen, gerade in der Erde verlegt, floss das schmutzige Abwasser aus Bergbau, Industrie und Landwirtschaft. So sollte es möglichst schnell verschwinden.
Die Emschergenossenschaft ist dabei, die Emscher und ihre Nebenflüsse zu renaturieren. Die Abwässer fließen jetzt unterirdisch zur Kläranlage. Über der Erde kommen die Betonrinnen weg, und wo Platz ist, bekommt der Fluss neue Kurven. Die Deiche werden flacher, das nützt der Tier- und Pflanzenwelt. Die Boye ist dabei nur eine kleine Baustelle – voriges Jahr bekam die Emscher eine neue Mündung in den Rhein. Über 600 Tier- und Pflanzenarten haben Forscher dort gefunden - nach nur einem Jahr.
Mich fasziniert diese Renaturierung total. Es geht so schnell, dass die Natur sich die Wiesen zurückholt, wenn wir nur die Betonrinnen wegnehmen. In einem kleinen Nebenbach der Boye, im Brabecker Mühlenbach, hat ein kleiner Fisch überlebt, der lange in der Emscher als ausgestorben galt: die Emschergroppe. (1) Sie ist nur ein paar Zentimeter groß und hat in diesem kleinen naturbelassenen Seitenarm über Jahrzehnte überlebt. Und mittlerweile fühlt sie sich auch in Boye und sogar Emscher wieder heimisch.
In den Psalmen der Bibel heißt es:
Glücklich sind die Frau,
der Mann, […]
die ihre Lust haben an der Weisung Gottes,
diese Weisung murmeln Tag und Nacht.
Wie Bäume werden sie sein – gepflanzt an Wasserläufen,
die ihre Frucht bringen zu ihrer Zeit, und ihr Laub welkt nicht.
Was immer sie anfangen, führt zum Ziel. (2)
Vielleicht brauchen wir auch eine Renaturierung dann und wann, für unsere Kirche und für unser Leben. Die schnellen Betonrinnen abbauen, dafür bewusst ein paar Schlenker machen. Wirksamer Hochwasserschutz für die Seele. Resilienz, so nennen wir das in der Seelsorge. Wenn wir lernen, nicht mehr alles kontrollieren zu wollen, wenn es nicht mehr immer schneller gehen muss, dann kehrt die Natur zurück. Und es wird so sein, dass die Wiesen hinterher viel schöner sind, als wir uns das hätten ausdenken können.
Eine Weisung, die wir heute Tag und Nacht murmeln, könnte diese sein: Ich muss nicht alles im Griff haben. Ich muss nicht alles regeln. Heute muss es nicht schnell gehen. Gott ist Gott, und ich bin Mensch.
Das sind dann Wasserläufe, an denen es sich gut leben lässt. Als Emschergroppe, und als Mensch auch.
Gutes Leben, das wünscht Ihnen für diesen Sommertag Ihr Pfarrer Steffen Riesenberg aus Bottrop.
(1) Es ist umstritten,
ob es sich wirklich um eine ganz eigene Art handelt – auf jeden Fall konnte die
Rhein- oder Emschergroppe in der Emscher nicht mehr leben, sondern nur noch in
dem kleinen Bach. Dort hat sie sich weiter entwickelt: Mehr Information zur
diesem kleinen Fisch gibt es hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Rheingroppe.
(zuletzt abgerufen am 26.06.23)
(2) Psalm 1,1–3, in der Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache, gekürzt.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
