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Sonntagskirche | 22.06.2014 | 08:55 Uhr

Zur Heiligtumsfahrt in Aachen

Die winzigen Schühchen in meiner Hand zaubern mir unwillkürlich ein Lächeln ins Gesicht. Ganz klein sind sie, aus weichem Leder mit einer dünnen Gummisohle. Gemacht für die ersten Schritte eines Kindes, das gerade laufen lernt. Vorne an der Spitze etwas abgeschabt, aber sonst noch fast neu.

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer, und herzlich willkommen zur „Sonntagskirche in WDR4“.

Beim Aufräumen im Keller meiner Oma habe ich sie wiedergefunden, die kleinen Schuhe, behutsam eingeschlagen in feines Seidenpapier. Meine Oma hat sie aufgehoben: meine ersten Schuhe. Und sie hat sie gehütet wie einen kleinen Schatz. Die Oma ist jetzt 94 Jahre alt und als ich ihr die Schuhe zeige lächelt auch sie. „Oh, ja“ sagt sie“, „das war eine wunderbare Zeit, als Du so klein warst!“ Ich kann mir jetzt kaum noch vorstellen, dass meine Füße – heute Größe 41 – da einmal hineingepasst haben. „Warum hast Du sie aufgehoben?“, frage ich. „Sie erinnern mich“, sagt die Oma. „Und zwischendurch habe ich Dich ja oft wochenlang nicht gesehen. Dann habe ich manchmal deine ersten Schuhe in die Hand genommen und dann war es so als wärest Du wieder hier.“

Für meine Oma sind meine Schuhe so etwas wie Heiligtümer. Das gibt es in allen Kulturen: Dinge, an denen man sich festhalten kann. Die für eine Person stehen, auch wenn sie nicht da ist. In der katholischen Kirche nennt man das Reliquien.

Heute und in der gesamten kommenden Woche findet in Aachen die Heiligtumsfahrt statt. Nur alles sieben Jahre wird dieses besondere Ereignis begangen. Dann dreht sich hier alles um die sogenannten Stoffheiligtümer. Es sind keine Schuhe wie bei mir. Gezeigt werden unter anderem die Windel Jesu, ein Kleid, das Maria, die Mutter Jesu getragen haben soll und das Lendentuch, das Jesus bei der Kreuzigung an hatte. Alle sind eingeschlagen in kostbare Seide und mit farbigen Bändern verschnürt, damit man sie unterscheiden kann. So werden sie seit Jahrhunderten verehrt.

Natürlich stellt sich hier ganz schnell die Frage: Sind die denn auch wirklich echt? Können diese Stoffe 2000 Jahre überstanden haben und noch erhalten sein? Die Fragen sind berechtigt. Wissenschaftliche Untersuchungen liefern aber nur zum Teil befriedigende Antworten. Viele der Stoffstücke sind historisch nicht mehr genau bestimmbar, einige stammen aus dem 1. Jahrhundert vor Christus, einige sind aber auch deutlich späteren Datums.

Damit bin ich wieder bei meiner Oma. Zu meinem Entsetzen hat sie mir nämlich erzählt, das die kleinen rot-weißen Schuhe gar nicht das Original sind. „Die richtigen sind bei irgendeinem Umzug verloren gegangen“, gesteht sie. „Aber viele Jahre später habe ich die hier auf einem Flohmarkt gefunden und die sehen haargenau so aus wie die, die du hattest!“ Ich bin zunächst enttäuscht und Oma merkt das auch. „Weißt Du“, sagt sie, „mir war das egal. Es kommt doch darauf an, dass sie mich an Dich erinnern. Das ist das Wichtigste.“

Meine Oma, denke ich, ist eine kluge Frau. Es kommt gar nicht so sehr darauf an, ob Maria dieses Kleid, das heute im Aachener Dom hängt, wirklich getragen hat oder ob Jesus wirklich in diese Windel gewickelt war. Für den, der glaubt, und der eine Beziehung zu Jesus und Maria hat, können diese Stoffheiligtümer wertvolle Erinnerungsstücke sein, die man eben hütet wie einen Schatz. Und noch mehr: Sie können Nähe vermitteln. Nähe zu dem Menschen, der diese Dinge der Überlieferung nach einmal getragen oder benutzt hat.

Vielleicht, liebe Hörerinnen und Hörer, habe sie ja jetzt Lust bekommen auf einen Sonntagsausflug nach Aachen, um auf „Tuchfühlung“ zu gehen mit diesen Heiligtümern. Oder sie sichten einmal in ihrem Keller, welche verborgenen Schätze der Erinnerung sie selbst dort hüten.

Mein Name ist Stephanie Lichters und ich wünsche Ihnen heute aus Krefeld einen wunderschönen Sonntag. Ich habe jedenfalls die kleinen Schühchen wieder sorgfältig in das Seidenpapier gewickelt und gut verstaut. Sie sind ein Schatz der Familie und ein kleines Heiligtum, das wir weiter aufheben.

Copyright Vorschaubild: gabrielerosa56 CC BY 2.0 flickr

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