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Das Geistliche Wort | 09.12.2018 | 08:35 Uhr

Von Lust und Frust des Schenkens

Guten Morgen!

In gut zwei Wochen ist Heiligabend. Da wird es höchste Zeit, Geschenke zu besorgen. Viele lamentieren gerne über den vorweihnachtlichen Stress mit den Geschenken – und doch wurde wohl noch nie so viel zu Weihnachten verschenkt wie in unseren Tagen. Von Lust und Frust des Schenkens! Keine Sorge: Mir geht es nicht darum gegen das Schenken zu wettern und nur für Ruhe und Besinnlichkeit zu sprechen. Dafür schenke ich selbst viel zu gerne und werde gerne beschenkt.

Musik 1

Ich schenke gern und ich werde auch gerne beschenkt. Und deshalb freue ich mich auch auf Weihnachten: Weil es ein Fest der Geschenke ist. Dann packe ich mit Familie oder Freunden Geschenke aus: Erst die Spannung beim Aufreißen des Papiers – und dann die Freude, wenn ich sehe: da hat sich jemand etwas dabei gedacht, er hat genau meinen Geschmack getroffen, er weiß, was ich brauche. Ich spüre: ich bin einem anderen Menschen wichtig. Und umgekehrt die gleiche Spannung, wenn meine Geschenke ausgepackt werden: Passt’s oder war es ein Fehlgriff? Den Fehlgriff hat der Schauspieler und Humorist Loriot einmal wunderbar persifliert: Familie Hoppenstedt feiert Weihnachten. Vater Hoppenstedt packt jedes seiner Weihnachtsgeschenke aus. Und es sind immer nur Krawatten. Sein Kommentar wiederholt sich dann auch entsprechend: Eine Krawatte! Immer gleich grau. Einfallsloser können Geschenke kaum sein.

Ein weiser Mensch hat dagegen einmal gesagt: Wer Weihnachten nicht weiß, was er schenken soll, der hat ein ganzes Jahr lang nicht zugehört.

Da ist was dran. Aber klappt bei mir leider auch nicht immer: Das ganze Jahr über wahrnehmen, was bei Angehörigen und Freunden los ist und in Weihnachtsgeschenke übersetzen.

Von daher kenne ich auch den Stress, wenn ich jetzt kurz vor Weihnachten noch nicht alles zusammen habe. Die voller werdenden Einkaufsstraßen und die Weihnachtsmärkte versetzen mich vielmehr in eine heilsame Unruhe, was noch alles vorzubereiten ist.

Und die litaneihaft wiederholte Aufforderung, „der Advent soll doch eine Zeit der Ruhe und Besinnlichkeit sein“, die habe ich immer schon irgendwie als krampfhaft empfunden. Im Übrigen finde ich dazu in der Bibel auch keine Hinweise. Denn wenn ich mir das so recht vorstelle: Vor der Geburt im Stall von Bethlehem hatten Maria und Josef auch wenig Zeit für Besinnlichkeit und Ruhe. Kaiser Augustus hatte durch die Anordnung einer Volkszählung vielen Leuten Beine gemacht. Jeder musste den Herkunftsort seiner Familie aufsuchen. Das hieß dann eben für Josef aus Nazareth: auf nach Bethlehem. Und schließlich die Geburt Jesu: nicht besinnlich und ruhig, sondern in einem Stall zwischen Tieren.

Musik 2

Selbstverständlich gehören zu Weihnachten Geschenke. Und wie ich Geschenke auspacke, muss ich auch das Weihnachtsfest selbst immer wieder auspacken.

Der Brauch, dass sich Menschen etwas schenken, ist wohl so alt wie die Menschheit. Aber Geschenke zu verpacken, das ist eine relativ junge Tradition. Zunächst benutzten die Menschen meistens einfaches braunes Packpapier. Nur zu ganz besonderen Gelegenheiten oder in besseren Kreisen beklebte man eine Schachtel mit farbigem Papier. Den Durchbruch zum echten bunten Geschenkpapier, der kam dann wohl im Jahr 1917 – eher aus der Not geboren. Kurz vor Weihnachten gab es im Schreibwarenladen der Gebrüder Hall in Kansas City in den USA kein braunes Packpapier mehr. Die geschäftstüchtigen Brüder verkauften einfach buntes französisches Seidenpapier, das für das Ausfüttern von Briefumschlägen gedacht war. Die Kundschaft war begeistert. Alle wollten jetzt das feine Buntpapier. Die Brüder begannen, es auf Rollen zu produzieren. Aus dem Laden wurde ein bis heute bestehender Konzern.

Heute verwenden die meisten Geschäfte viel Einfallsreichtum und Kreativität auf das Verpacken von Weihnachtsgeschenken. Ich finde es schon bewundernswert, wie aus Papier und bunten Bändern kleine Kunstwerke entstehen. Andererseits finde ich es schade, wenn man schon von außen sieht, was da eingepackt ist: Parfüm oder ein Buch.

Viel schöner ist es doch, sich an einem Adventsabend hinzusetzen und Geschenke selbst einzupacken: ich mache das beim Licht der Adventskerzen und höre gute Musik im Hintergrund. In Sichtweite steht dann schon die Krippe – natürlich ohne das Jesuskind – es ist ja auch noch nicht Weihnachten. Stattdessen habe ich dann ein adventliches Bild aufgestellt, eines von vielen möglichen: der Engel, der Maria die Menschwerdung Gottes ankündigt oder die Herbergssuche. Ein Prophet verkündet die Geburt des Erlösers, der Engel erscheint Josef im Traum, die schwangere Maria besucht Elisabeth.

Für mich sind diese gestalteten Krippenbilder in meiner Wohnung eine echte Vorbereitung auf Weihnachten – die Geburt des Kindes im Stall. Diese Bilder anzusehen, führt mich zum Kern von Weihnachten. Ähnlich wie das Auspacken der Geschenke mich erst zu den Geschenken führt.

Ich verstehe aber auch das Einpacken der Geschenke als eine Vorbereitung auf Weihnachten. Denn dann denke ich natürlich an diejenigen, die ich beschenken will. Wie wird er oder sie reagieren? Werden sie sich freuen? Lag ich richtig mit der Auswahl?

Aber noch mehr: Ich denke auch über die Zukunft nach und das, was ich mir mit den Beschenkten für die Zukunft erhoffe. Eigentlich sagt das Geschenk: Du bist mir wichtig, ich mag dich, ich will auch in Zukunft mit dir Zeit verbringen.

Musik 3

Schenken ist eine entscheidende kulturelle Verhaltensweise und schon bei den archaischen Völkern belegt. Schenken ist sogar älter als das Tauschen.

Beim Tauschen bekomme ich sofort eine Gegenleistung: Ich gebe zwei Sack Getreide und bekomme ein Schaf, ich gebe ein Bärenfell und bekomme ein Stück Gold. Leistung und sofort Gegenleistung – in Waren, Dienstleistung oder Geld.

Schenken dagegen setzt nicht auf eine sofortige Gegenleistung, ist nicht berechnend. Schenken – könnte man sagen – setzt auf Hoffnung. Schenken ist eine Investition in eine bessere Zukunft, die aber immer auch ungewiss ist.

Diese Beobachtung hat auch die Philosophen interessiert. Jacques Derrida, einer der großen französischen Denker des 20. Jahrhunderts, sieht im Schenken einen Gegenentwurf zu ökonomischen Tauschprozessen. Tauschhandel basiert zwar auf Gerechtigkeit, die aber irgendwie kalt bleibt: Gibst du mir, geb‘ ich dir. Schenken dagegen öffnet den zwischenmenschlichen Raum auf etwas Größeres hin: Ich gebe dir etwas um deiner selbst willen, nicht um etwas Gleichwertiges sofort dafür wiederzubekommen. Anders formuliert: Schenken ist im besten Falle ein Ausdruck von Liebe, die den anderen frei lässt.

Wenn ich schenke und sofort einen Gegenwert erwarte, dann zerstört das Liebe und Freiheit. So gesehen ist richtiges Schenken echt schwer. Denn es gibt wohl kaum ein absichtsfreies Schenken sowie es vermutlich auch keine absichtslose Liebe gibt. Ich würde eher sagen: Beim Schenken schwingt immer eine Erwartung mit. Ich erwarte ein Mehr an Liebe, ein Mehr an Freundschaft, ein Mehr an Vergebung, ein Mehr an Frieden, ein Mehr an Freiheit. Und wenn ich jemanden liebe und gernhabe, dann schwingt doch auch ein wenig mit, dass ich selbst geliebt werden möchte. Nur das ich die Gegenliebe nicht durch ein Geschenk erzwingen kann. Es bleibt beim Schenken daher auch eine Sehnsucht zurück.

Und diese Sehnsucht führt mich wieder zur Verpackung der Geschenke.

Auch wenn das Geschenkeverpacken eine relativ junge Tradition ist, steckt dahinter doch etwas vielen Kulturen seit unvordenklichen Zeiten Vertrautes: das Verhüllen. Kostbares und Heiliges wird in vielen Kulturen und Religionen verhüllt. Das Besondere wird den Blicken entzogen. Dadurch wird noch mal deutlicher, dass dieses Kostbare und Heilige nicht einfach verfügbar ist, sondern bestenfalls ersehnt wird. Zugleich eröffnet die Verhüllung einen neuen, eher inneren Blick auf die Dinge. Ich denke da zum Beispiel an den Verhüllungskünstler Christo. Der regt mit seinen Aktionen einen neuen Blick auf vermeintliches Vertrautes und Bekanntes an. Denn was den Blicken entzogen wird, macht wieder neugierig darauf.

Das Geschenkpapier ist zwar keine Erfindung von Christo, aber es geht genau um dieselbe Erfahrung: Wenn ich ein schön verpacktes Geschenk in die Hand nehme, dann spüre ich: Hier geht es um etwas Besonderes, um etwas Kostbares, das jetzt noch verborgen ist. Und es ist auch kostbar, weil sich hier jemand Mühe gegeben hat, weil ich ihm wichtig bin.

Wenn mir das klar ist, dann muss ich auch anders mit dem Geschenk umgehen, es vorsichtig auspacken, enthüllen. Anders jedenfalls als Familie Hoppenstedt bei Loriot. Da endet die Bescherung in einer Orgie des wüsten Aufreißens von Geschenken. Und die Papierberge werden einfach ins Treppenhaus entsorgt, wo schon Fluten davon warten - und die Hoppenstedts schließlich darin versinken. Das vorsichtige Enthüllen ist eine ebensolche Wertschätzung wie das Verhüllen.

Musik 4

Gerne übertrage ich die Vorstellung vom Verhüllen und Enthüllen auf die Botschaft von Weihnachten. Was ist hier Geschenk und was Geschenkpapier? Für mich zeigt sich das an einem Text aus dem Johannesevangelium. Da heißt es (Joh 1,14):

„Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“ Ich verstehe das so: Gott verhüllt sich, indem er menschliche Gestalt annimmt. Und es liegt an mir Gott zu enthüllen in jedem Menschen.

Der Advent ist eine wunderbare Zeit, Weihnachten selbst auszupacken und das große Geschenk zu finden: Gott selbst wird Mensch. Und ist seitdem in jedem Menschen gegenwärtig.

Weihnachten auspacken: um das Leben zu finden, das Gott selbst ist, der sich selbst verhüllt hat, um sich finden zu lassen – auch heute noch. Weihnachten auspacken, wie ein Geschenk, für ein Mehr an Hoffnung, ein Mehr an Liebe, ein Mehr an Frieden, ein Mehr an Freiheit.

Musik 5

Viel Freude beim Auspacken wünscht Ihnen Markus Bosbach, Domkapitular in Köln.

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