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Hörmal | 24.11.2019 | 07:45 Uhr

Abschiedlich leben

Vielleicht hängt es damit zusammen, dass ich mich zu sehr daran gewöhnt habe. Ich bin häufig dienstlich unterwegs, Hannover, Berlin, Saarbrücken, München. Möglichst morgens hin und abends schon wieder zurück. Da geht es nur um die Frage: Ist er pünktlich, funktioniert das WLAN und die Heizung, kommt der Kaffee – ich bin unter Druck, ich will arbeiten.

Es geht auch anders. Ich sehe aus dem Fenster. Ein junger Mann bringt seine Liebste zum Zug. Engumschlungen stehen sie da. Der Schaffner wird schon nervös. Die Beiden können sich einfach nicht trennen. Ein letzter Kuss. Ein gehauchtes „Ich liebe dich“.

Ein paar Meter weiter: Zwei alte Damen. Die eine scheint ihre Schwester gebracht zu haben. Ein großer Koffer. Eine weite Reise. Vielleicht geht’s wieder zurück in die andere Heimat. Sie umarmen sich. Halten sich noch beide Hände, schauen sich mit einem wehmütigen Lächeln in die Augen. „Machs gut, meine Liebe. Wer weiß, ob wir uns noch einmal wiedersehen.“

„Vom Abschiednehmen mag es kommen, das stets ein wenig Sterben heißt.

Und ich hab' oft Abschied genommen, war stets ein wenig mehr verwaist.“

Dieser Teil eines Liedes von Reinhard Mey ist mir hängen geblieben. Taucht jetzt wieder auf. „Dass Abschiednehmen stets ein wenig Sterben heißt“ – das ist mir, dem Vielreisenden, der nicht schnell genug den Raum überwinden kann, verloren gegangen. Vielleicht geht es auch gar nicht anders. Ich kann es mir nicht leisten. Ich kann doch nicht jedes Mal am Bahnsteig Trauerminuten einlegen.

Aber es ist ja nicht nur der Bahnsteig, an dem ich mir keine Zeit mehr nehme für wesentliche Dinge. Überhaupt habe ich keine Zeit mehr für Abschiede. Auch nicht an anderen Orten, zu anderen Zeiten. Immer busy, immer gefragt, immer viel zu tun, immer keine Zeit. Wie soll ich da bloß lernen, mit dem großen Abschied umzugehen. „Weil Abschiednehmen stets ein wenig Sterben heißt.“

Christen begehen heute den Totensonntag oder Ewigkeitssonntag. Zeit, ans Abschiednehmen zu denken. Zeit an die zu denken, von denen wir den großen Abschied nehmen mussten – vielleicht gerade erst in diesem Jahr. Gelegenheit, dass ich mich meinem eigenen großen Abschied einmal stelle. Er wird kommen, so oder so, früher oder später.

Ja, das ist so: Ein solches Innehalten, eine solche Besinnung bringt eine gewisse Schwere ins Leben. Das fordert mich, meine ganze Aufmerksamkeit. Das kostet Energie und Kraft. Kann ich mir das leisten, will ich mir das antun?

Wäre gut! Denn mit der Schwere des Abschieds bekommt Leben ein anderes Gewicht.

·





Wer nicht Abschied nehmen kann, kann auch nicht richtig hier sein.

·





Wer vom Sterben nichts weiß, versteht auch nicht recht zu leben.

Abschiedlich leben macht Menschen und Dinge bedeutsam, wertvoll.

Abschiedlich leben heißt einsehen, dass die Zeit begrenzt ist, dass Gelegenheiten verstreichen können, dass Möglichkeiten weniger werden.

Abschliedlich leben – kann ich in der Tat nicht permanent. Aber ich brauche den Break, ich brauche diesen Impuls. Sonst rase ich durch die Welt und durch die Zeit. Unheimlich bewegt, aber immer nur dem auf der Spur, was vergeht.

Abschliedlich leben dagegen, bringt mich dem auf die Spur, was bleibt.

Quelle:

Mein erstes graues Haar, Reinhard Mey, https://www.musixmatch.com › songtext › Mein-erstes-graues-Haar, zuletzt abgerufen am 4.10.2019.


Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius


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