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Sonntagskirche | 06.09.2020 | 08:55 Uhr

An meinen schlafenden Hund

Guten Morgen!

Manchmal schau ich ihm beim Schlafen zu. Ich sehe, wie unser Vierbeiner nach einem Tag in der Stadt alle Viere von sich streckt und den Tag auf seine Art verdaut. Da waren so viele Eindrücke, Gerüche und Zweibeiner, die sich über ihn freuten.

Wenn ich Itthai so beim Schlafen zuschaue, werde ich an das Liebeslied von Reinhard Mey an seinen damaligen Dackel erinnert: „An meinen schlafenden Hund.“ Ich kann Reinhard Mey so gut verstehen. Er beschreibt, wie sein Dackel abends laut schnarchend zu seinen Füßen liegt und im Traum seinen Tag verarbeitet. Das macht unser Hund Itthai auch. Manchmal hört man ihn stöhnen. Manchmal wimmert er. Schnarchen kommt bei ihm eher selten vor. So manche Geräusche, die er im Schlaf von sich gibt, sind für uns gewöhnungsbedürftig. Aber wir wissen jetzt, Itthai befindet sich wieder in seinem Traumland und besteht ein weiteres Abenteuer. Wir sind jedes Mal neu über die Schlafgewohnheiten unseres Hundes überrascht. Ob wir Musik hören, einen Film anschauen oder uns laut unterhalten. Unser Hund liegt in seiner Ecke und schläft selig. Doch kaum, dass wir die Tüte mit den Nüssen öffnen oder eine Banane schälen, steht Itthai putzmunter vor uns und hofft sehnsüchtig darauf, etwas abzubekommen.

Wenn Sie jemals die schmachtenden Knopfaugen unseres Hundes gesehen haben, wissen Sie bereits jetzt: Ja, wir werden jedes Mal neu wieder schwach. Wer kann schon den Augen unseres Hundes widerstehen?

Manchmal schau ich meiner Frau beim Schlafen zu. Und in mir erwacht erneut ein zärtliches Gefühl. Wie sie so friedlich daliegt. Kein Wässerchen kann sie trüben. Es war ein langer Tag für sie. Da war dieses schwere Telefongespräch, mehrere Stunden. Seit ihrem Buch über ihren Missbrauch rufen immer wieder Betroffene an, die ein verständiges Ohr und ein mitfühlendes Herz brauchen. Die Schwere des Gesprächs ist ihrem Gesicht jetzt nicht mehr anzusehen. Auch diese unverschämte E-Mail mit den vielen Unterstellungen stört ihren Schlaf nicht. Ganz friedlich liegt sie da. Ich würde es ihr jetzt am liebsten sagen: „Du, ich liebe dich. Immer noch, sogar noch mehr nach diesen 40 Jahren.“

Ich bin noch wach, setze mich auf den Balkon, lasse die Gedanken schweifen. Wie oft habe ich es versäumt, diese Worte zu sagen. Nicht nur bei meiner Gefährtin, auch bei Freunden, Weggefährten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wie oft ging es mir nur um mich. Oder um das anstehende Projekt, die zu erledigende Arbeit für die Gemeinde. Dabei weiß ich doch, wie wichtig und heilsam es ist, es einmal auszusprechen: Du, ich arbeite wirklich gern mit dir. Du hast so tolle Ideen und wir ergänzen uns. Oder: Danke, dass du immer wieder für uns da bist, wenn wir Hilfe brauchen, mein Freund. Ich beschließe: Ich werde es ihnen sagen. Sonntag ist ein guter Tag für ein Telefonat oder eine E-Mail. Und mit diesem Entschluss gehe ich dann auch mal schlafen. Bleiben Sie behütet.


( 1 ) https://www.reinhard-mey.de/texte/alben/meinen-schlafenden-hund (letzter Abruf 29.07.2020)


Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

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