Andenken bewahren

Neulich war ich mit ein paar Leuten in einer Ausstellung über die Bibel. Wir haben uns gerade eine Mini-Bibel angeschaut. Die hatte ein älterer Mann gestiftet. Er hatte sie vor über sechzig Jahren von seiner ersten großen Liebe in England auf einem Jugendaustausch geschenkt bekommen. „Er kam regelmäßig noch hierher, aber im letzten Jahr ist er verstorben“, sagte der Referent, „wahrscheinlich lebt seine erste große Liebe auch nicht mehr.“

„Man ist erst richtig tot, wenn keiner mehr von einem spricht“, murmelt einer aus meiner Gruppe. Ich schaue ihn an. „Das sagt man doch so“, entgegnet er.

Ich überlege. Irgendwie kann ich diesen Gedanken gut verstehen. Und merke, dass ich selten über die Menschen spreche, die ich schon loslassen musste. Bin ich für ihr Andenken zuständig? Bin ich überhaupt zuverlässig genug?

Ich denke an ein Gebet der Bibel, in dem es heißt „Gott, du hast mich erforscht und kennst mich ganz genau.“ Der Text geht weiter und beschreibt, dass nichts, keine Unzulänglichkeiten und noch nicht mal der Tod, mich von Gott trennen kann. Ich finde das ein schönes Bild, für mich selbst, mit meiner Sprachlosigkeit und für die Menschen, die ich geliebt habe und die gestorben sind. Trotzdem nehme ich mir vor, mal wieder mit meiner Schwester im Familienalbum zu blättern und Geschichten von Oma zu erzählen.

Sprecher: Daniel Schneider

Redaktion: Daniel Schneider