Dunkler Tunnel

Meine erste Aktion am Morgen heißt immer: Vorhänge auf! Ich liebe das, wenn ich im Sommer morgens die Gardinen an die Seite schiebe und alles so richtig schön hell wird. Alles auf Anfang, toll! Gerade übers letzte Jahr habe ich aber gemerkt: Nicht für alle Leute fängt der Morgen so an – frisch und hell und leuchtend. Es gibt genug Menschen, für die wird es gar nicht mehr richtig hell, egal wie weit sie die Vorhänge morgens aufreißen. Wenn dich eine Depression so richtig fest im Griff hat, dann steckst du immer in der Dunkelheit fest. Puh, ich kann mir das gar nicht richtig vorstellen, wie sich das anfühlt, wenn es nie so richtig hell um mich herum wäre. Aber das muss ein Scheißgefühl sein. Und dann ist es bestimmt auch noch doppelt ätzend, wenn andere Leute das nicht ernst nehmen, so nach dem Motto: „Ach, geh doch mal ‘ne Runde spazieren, die frische Luft wird das schon richten!“ Ne, das wird sie nicht. Denn Depressionen sind eine richtige Krankheit, so wie Krebs oder Rheuma oder was weiß ich. Krankheiten muss man ernst nehmen und therapieren. Da hilft es eben auch nicht, mal spazieren zu gehen oder sich abzulenken. Und ja, ich weiß, dass es auch bestimmt nicht reicht, wenn irgendeine Frau von der Kirche im Radio davon erzählt. Aber vielleicht ist das ein kleiner Anfang: offener und öfter über Depressionen reden und die Krankheit ernst nehmen. Und falls Ihr Leute kennt, die Hilfe brauchen: Die Telefonseelsorge hat ein offenes Ohr und kann helfen auf dem Weg zu einer Therapie. Die Nummer ist: 116 123.

Ela Kornek, Münster