Roboter als Priester

„Gu-ten Mor-gen. Was be-deu-tet Nächs-ten-lie-be?.“

So oder so ähnlich stelle ich mir vor, dass ein Roboter Sie ansprechen könnte. Aber wahrscheinlich stelle ich mir das ganz anders vor, als es eigentlich ist. In einem
buddhistischen Zen-Tempel in Japan ersetzt ein Roboter tatsächlich einen Geistlichen. Offenbar ist der Priestermangel auch in Kyoto groß. In Zusammenarbeit mit der Universität Osaka testen die Mönche dort den predigenden Androiden. Er sagt zum Beispiel: „Weltliche Begierden sind nichts anderes als ein in Seenot geratener Geist“. Schlaue Sprüche klopfen kann er.

Der Roboter hört auf den Namen „Mindar“. Nur Gesicht, Schultern und Hände sind einem Menschen nachempfunden. Der Rest sieht aus, wie man sich so einen Metall-Kollegen vorstellt. „Mindar“ lernt täglich dazu. In Japan, wo Roboter auch im Alltag stärker eingesetzt werden als bei uns, ruft der Androide wenig Kritik hervor.

Klar, bei uns ist der Priestermangel sehr groß. Ein betender Roboter ist für mich aber keine Alternative. Vorlesen, das kann er bestimmt perfekt. Er verspricht sich nie, kann wahrscheinlich auf Wunsch schneller oder langsamer reden und alles korrekt in mehrere Sprachen übersetzen.

Aber eine intuitive Meinung hat er wohl nicht. Kann er mir von seinen Erfahrungen und Überlegungen erzählen? Und vor allem: Kann er Gefühle zeigen? Mitleid haben, Trost spenden, Mut machen, Freude teilen?

Für mich ist Seelsorge in erster Linie Beziehungsarbeit. Ich glaube nicht, dass „Mindar“ eine Beziehung zu Gott hat – oder eine zu den Menschen aufbauen kann, die ihn aufsuchen. Mir fällt es leichter, einen Rat anzunehmen, wenn ich mich verstanden fühle. Von einem Priester-Roboter etwas über Nächstenliebe zu hören, fände ich nicht sehr glaubwürdig. Gott sei Dank! Sonst bräuchten Sie mich an dieser Stelle bald auch nicht mehr.