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Sonntagskirche | 24.03.2019 | 08:55 Uhr

Tim Thaler und das verkaufte Lachen

Cornelia Schroers

Viersen


„Wenn Sandy am Strand Urlaub macht, kommt Greenpeace und versucht sie zurück ins Meer zu ziehen“. Jonas schaut in die Runde, alle lachen. Nur Sandy nicht. Die dreht sich um und weint. Jonas ruft: „Eh Sandy, war doch nur Spaß!“

Ein paar Tage später kommt Sandy mit ihrer Mutter in mein Büro. Ich bin Sozialarbeiterin an einer Schule und neben Präventionsarbeit und Erlebnispädagogik kümmere ich mich, wenn es Probleme gibt. Sandy hat mir von der Situation mit den Mitschülern erzählt. Das Mädchen möchte nicht mehr in die Schule kommen. Sie fühlt sich zu dick, isst kaum noch etwas, ihre Mutter macht sich große Sorgen. Ich konfrontiere Jonas und seine Kumpels mit den Folgen ihrer scheinbar so lustigen Späße. „Aber Sandy hat mitgemacht“, beschweren die sich. Sandy habe zum Beispiel Witze über Jonas Mutter gemacht. „Das machen wir doch alle mal“, sagt Ben. Schnell wird klar: Es ist ein Thema für die ganze Klasse. Ich könnte den Kids jetzt einfach sagen „Schluss damit, es werden keine Witze über andere gemacht und Ende der Diskussion, wer sich nicht daran hält, kassiert eine Strafe.“ So eine Reaktion führt am Ende aber oft dazu, dass die Ärgereien heimlich weitergehen und Opfer unter Druck geraten. Gemeinsam mit der Klassenlehrerin verabreden wir daher einen Vormittag mit der Klasse an dem wir Spiele zum Thema „Ausgrenzung“ spielen. Wir besprechen zusammen wann und wie Ausgrenzung anfängt. Wann ist es noch lustig und ab wann wird aus Spaß Mobbing. Vor allem sprechen wir darüber, wie sich die Beteiligten fühlen. Als Täter fühlt man sich nämlich erstmal gar nicht schlecht. Wer Witze über jemand anderen macht, der hat die Lacher auf seiner Seite, das ist so was wie Anerkennung und die fühlt sich erstmal gut an.

Natürlich ist das nicht ok und wir gehen auch konsequent gegen Täter vor. Aber wenn es aufhören soll, dann brauchen die Kids eine Alternative, die auch Spaß macht. Das sind zum Beispiel Spiele wo man sich fair miteinander messen kann, wo alle zusammen lachen.

Per Zufall habe ich in dem Film „Tim Thaler und das verkaufte Lachen“ von 2017 ein sehr treffendes Bild für meine Arbeit gefunden. Der Waisenjunge Tim verkauft in der Geschichte sein Lachen an den Baron Lefuet, was rückwärts gelesen Baron Teufel ergibt. Ein ganz fieser Kerl ist dieser Baron. Nun ist die Frage, was will der Teufel mit einem Lachen? Der Teufel erklärt es Tim gegen Ende des Films ganz genau: Er sei lange Zeit davon ausgegangen, dass die Menschen Angst vor ihm haben sollten, aber dann hat Baron Teufel entdeckt wie gut das Lachen für seine Zwecke ist: Wenn man mit jemandem lachen kann, dann fühlt man sich gut und dann denkt man nicht mehr viel darüber nach, ob das wirklich gut ist, was man tut. Ja, im schnellen Lacher kann etwas Verführerisches stecken. Und wenn ich an das Mobbing in der Schule denke, dann ist das manchmal sogar teuflisch einfach, den anderen lächerlich zu machen.

Meinen Schülern versuche ich zu zeigen, dass sie Anerkennung erhalten, wenn sie sich richtig verhalten. Bei Kindern müssen Erwachsene schon mal ein bisschen nachhelfen und zum Beispiel gutes Verhalten positiv verstärken, also belohnen.

Erwachsene müssen sich und ihr Verhalten immer wieder selber hinterfragen. Aber auch für uns gibt es gute Nachrichten: Während das Lachen über die falschen Dinge im Nachhinein ein schlechtes Gewissen macht, haben wissenschaftliche Studien bewiesen, dass Gutes zu tun nachhaltig glücklich macht. Wenn man zum Beispiel anderen hilft, wird Serotonin ausgeschüttet und man fühlt sich wirklich gut. Es gibt sogar Wissenschaftler, die sagen, dass Glauben nämlich nicht nur glücklicher macht, sondern auch stressresistenter. Ob das so ist? Also wenn ich an meinen Job in der Schule denke: Ganz bestimmt.

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