Beiträge auf: wdr5
Kirche in WDR 5 | 17.01.2025 | 06:55 Uhr
Die Kraft der Stille – Was wir von Antonius lernen können
Bis zum Sommerurlaub ist es noch ganz schön lange hin – aber ich bin jetzt schon reif für die Insel. Zu viele E-Mails, zu viele Verpflichtungen, zu viel Stress. Am liebsten einfach weg. Ruhe und endlich Zeit für mich selbst.
Vor etwa 1.750 Jahren hat ein Mann genau das durchgezogen. Er ist zwar nicht auf eine Insel gezogen, aber er hat sich in die Einsamkeit zurückgezogen. Sein Name war Antonius. Und er wird heute, am 17. Januar von der katholischen Kirche besonders geehrt.
Von ihm wissen wir relativ genau etwas, weil schon kurz nach seinem Tod eine ausführliche Lebensbeschreibung entstand. Antonius war Sohn reicher Eltern und von Kindesbeinen an im christlichen Glauben erzogen. Nach dem Tod seiner Eltern – da ist er etwa 20 Jahre alt – hört er in der Kirche einen Satz aus Bibel. Da sagt Jesus zu einem reichen Mann (Mt 19,21): „Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib ihn den Armen; und du wirst einen Schatz im Himmel haben; und komm, folge mir nach!“ Der Satz elektrisiert Antonius. Er verkauft seinen ganzen Besitz, versorgt seine jüngere Schwester, gibt das Geld den Armen und zieht aus aus seinem Wohnort in Ägypten. In die Einsamkeit. Ganz allein. Dort denkt er nach, kommt zur Ruhe, betet, konzentriert sich auf das, was für ihn wirklich wesentlich ist.
Was seine Mitmenschen damals fasziniert hat, finde ich bis heute bemerkenswert: Er hat radikal ernst gemacht und auf das geachtet, was er wirklich brauchte.
Antonius’ Leben war deshalb entsprechend einfach. Aber wie das so ist: Indem er sich von den Menschen zurückzog, wurde er interessanter für sie. Sie suchten ihn auf und wollten von ihm lernen, von seiner Gelassenheit, von der Stärke und der Zufriedenheit, die er in der Abgeschiedenheit gefunden hatte. Einmal sollen es sogar so viele Menschen gewesen sein, die zu ihm gekommen sind, dass sie ihm förmlich „die Bude eingerannt“ haben.
Ich weiß nicht, ob Antonius sich vor den Menschen verstecken wollte. Vielleicht wollte er einfach nur weg von dem, was ihn vom Wesentlichen ablenkte, was ihn auslaugte, weil es ihn zu sehr im Griff hatte und vor sich hertrieb. Ich stelle mir vor, dass es Fragen nach Geld und Macht waren, die er hinter sich lassen wollte. In der Beschreibung über sein Leben heißt es nämlich: Antonius wäre immer wieder in Versuchung geführt worden, ob er nicht doch Reichtum und Einfluss haben wolle. Jetzt in der Abgeschiedenheit und in der Stille entdeckt er, was wirklich zählt.
Etwas von dieser Erfahrung kann ich sehr gut nachempfinden: Denn wenn ich mich mal aus dem Strom des Alltags herausziehe, dann entsteht ein geistiger Freiraum, der vorher nicht da war: Ein Raum für Gedanken, für Fragen, und manchmal auch für Antworten. Allein wenn ich zwischendurch mal mein Handy ausschalte, spazieren gehe, mich an einen ruhigen Ort setze, spüre ich, wie wohltuend das ist. Das relativiert schon vieles, was sonst mein Leben beherrscht und mich unfrei sein lässt.
Die Beliebtheit, die Antonius als Einsiedler genoss als die Menschen zu ihm kamen, zeigt doch: Rückzug und Stille sind ein Bedürfnis für viele. Sie können eine Quelle für das Leben sein. Ja mehr noch: Offenbar geben sie Stärke und Zuversicht, Gelassenheit und Mut.
Und wer weiß? Vielleicht entdecken Sie das ja auch, beim kleinen Rückzug aus dem hektischen Vielerlei des Lebens.
Das wünscht Ihnen Gerald Mayer aus Köln