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Kirche in WDR 5 | 20.01.2025 | 06:55 Uhr
Ernesto Cardenal (100. Geburtstag)
Guten Morgen.
Graue Haare, grauer Bart, immer eine Baskenmütze auf dem Kopf - und eine unvergleichlich sanfte Ausstrahlung. So habe ich ihn in Erinnerung. Heute vor genau 100 Jahren wurde Ernesto Cardenal in Granada, Nicaragua geboren. Eines seiner Bücher: „Das Buch von der Liebe. Lateinamerikanische Psalmen“, das stand lange in meinem Bücherregal.
Ernesto Cardenal war ein katholischer Priester und ein großer Dichter Lateinamerikas. Und dann gibt es viele Wörter, die ihn beschreiben sollen oder es zu mindestens versuchen: sozialistischer Politiker, Befreiungstheologe, Marxist, Lyriker, Revolutionär, Kultfigur, Hoffnungsträger, Prediger, Mystiker, Frömmler, ein rebellischer Katholik. Ich höre da Dinge, die scheinbar nicht zusammenpassen: Marxist und Katholik? Sie ahnen, dass es mehr von Ernesto Cardenal zu erzählen gibt, als ich Ihnen hier heute Morgen erzählen kann.
Was mich am meisten an diesem Menschen fasziniert, ist sein unbedingter Einsatz für Arme und Unterdrückte. Er selbst stammt aus einer wohlhabenden Familie der Oberschicht Nicaraguas. Was ihn aber nicht davon abgehalten hat, für eine gerechtere Welt und gegen brutale Diktatoren zu kämpfen. Ernesto Cardenal arbeitet sogar bis 1994 mit der FSLN zusammen - eine ehemalige Guerillaorganisation und politische Partei in Nicaragua. Sein Motiv beschreibt er so: „Ich bin kein Politiker, ich bin Revolutionär. Für mich bedeutet Revolution tatkräftige christliche Nächstenliebe, verwirklichte Barmherzigkeit.“ (1)
Ich erkenne hier einen Menschen, der tief von Gottes Liebe ergriffen ist. Und der diese göttliche Liebe in unserer Welt konkret sichtbar machen möchte. Dazu gehören Gerechtigkeit und Frieden. Und damit auch politisches Engagement für die Menschen, denen diese Gerechtigkeit und Frieden fehlen.
Leider haben da unsere Kirchen so manches Mal versagt. Haben gemeinsame Sache mit den Herrschern und Unterdrückern gemacht. Oder geschwiegen. Da tut es gut, sich an einen Menschen der Kirche zu erinnern, der anders gehandelt hat.
Ernesto Cardenal, der katholische Priester, hat einmal gesagt: “Es ist nicht leicht, die Welt zu verändern, aber der Versuch lohnt.“ (2) Jesus drückt das in der Bergpredigt so aus: „Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ (3)
Machen Sie mit? Die Welt zu verändern? Klar, ich werde allein keinen Krieg beenden und die Klimakrise nicht stoppen können. Doch in meiner Umgebung kann ich mich für gegenseitigen Respekt und Liebe einsetzen. Kann mein Auto stehen lassen und das Fahrrad nehmen. Und mit meiner Gemeinde für Frieden und Gerechtigkeit auf dieser Welt beten. Und Geld spenden. Schon allein diese Dinge tun gut, lohnen sich. Nicht nur Ernesto Cardenal konnte die Welt mit Gottes Liebe verändern. Das kann jede und jeder.
Ihr Pastor Heddo Knieper, Soest.
(1) zitiert nach: https://www.deutschlandfunkkultur.de/ernesto-cardenal-christ-und-marxist-102.html (letzter Abruf 03.01.25)
(2) zitiert nach: Barbara Mikus-Boddenberg, „Blau – Die Farbe der Sehnsucht und der Angst“, Das Geistliche Wort, 18.03.2018, WDR 5 (letzter Abruf 03.01.25)
(3) Matthäus 5,9 Die Bibel nach Martin Luthers Übersetzung, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
Weitere Quellen, letzter Aufruf aller Links am 9.12.24:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ernesto_Cardenal ,
https://www.dw.com/de/der-ewige-k%C3%A4mpfer-ernesto-cardenal-ist-tot/a-52601158
https://www.deutschlandfunkkultur.de/ernesto-cardenal-wird-90-priester-lyriker-revolutionaer-100.html
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze