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Kirche in WDR 5 | 31.01.2025 | 06:55 Uhr

Freiheit

Man hat ja so seine Erinnerungen aus Kindheitstagen. Eine ist für mich ein Moment vor dem Fernseher. Es war jene Tagesschau vom 09. November 1989 zum Fall der Berliner Mauer. Schemenhaft sehe ich mich, neun Jahre alt, auf dem Teppich sitzen mit großen Augen und Ohren vor dem Fernseher. Ich dachte damals vielleicht nicht so sehr an das große Ganze. Ich dachte erleichtert an Siegrid und Frank.

Entfernte Verwandte von uns lebten nämlich in Dresden und wir standen mit ihnen irgendwie in Kontakt. Briefe der beiden brauchten ewig, bis sie bei uns waren. Siegrid arbeitete in einem Backwarenkombinat, in dem der bekannte Dresdener Stollen zur Weihnacht gebacken wurde. Bis das Paket mit dem Stollen jedes Jahr ankam, war Weihnachten fast schon um.

Irgendwann vor der Wende haben Frank und Siegrid uns auch mal besucht. Diese Reise brauchte unglaublich viele Anläufe und ich verstand damals nicht, warum die beiden nicht einfach losgefahren waren… und gut ist.

Als sie dann da waren, habe ich kindliche Fragen gestellt: „Warum ist das bei Euch so anders?“ Siegrids Antwort erinnere bis heute: „Wir haben die Freiheit nicht!“. Langsam dämmerte mir, wie sehr da ein autoritärer Staat die Menschen kontrolliert. Als wir dann heimlich eine Musikkassette mit Musik von Udo Lindenberg rüberschickten, war es mir endgültig klar: Freiheit ist wichtig. Denken zu dürfen, was man mag. Reisen zu dürfen, wohin man mag. Glauben zu dürfen…. Und natürlich: Die Musik zu hören, die man mag.

„Das alles ist jetzt vorbei!“ – dachte ich am Mauerfall-Abend, kurz nach 20 Uhr, im Ersten Deutschen Fernsehen bei der Tagesschau. Und ich erinnere, wie sie da im Fernsehbild alle dicht gedrängt standen: Kohl, Genscher. Mit dabei (und eher am Rande) war auch Richard von Weizsäcker. Ihn mochte ich. Er war der Bundespräsident meiner Kindheit: ruhig, besonnen – klug.

In seiner Rede zur Amtseinführung am 1. Juli 1984 (also noch weit vor dem Fall der Mauer) hatte von Weizsäcker gesagt: „Unzureichende Informationen und Vorurteile erzeugen wechselseitig unbegründete Angst, die nicht weniger gefährlich sein kann als Rüstung. Auch fördert es den Frieden nicht, die Welt in gut und böse einzuteilen.“

Irgendwie denke ich: Dieser Satz trifft genau in unsere Zeit hinein. Heute vor zehn Jahren starb Richard von Weizsäcker in Berlin. Und wenn ich heute Abend mit meinen Kindern vor dem Fernseher sitze. Und wenn es wieder heißt: „Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau“… spätestens dann weiß ich, dass wir uns an ihn und seine Worte und Positionen dringend erinnern müssen…

Und an das, was er über die Freiheit gesagt hat: „Entscheidend ist die Freiheit. Sie allein macht es möglich, gemeinsam die Wahrheit, das richtige Ziel und die richtigen Mittel und Wege zu suchen.“

Bleiben Sie freiheitsliebend: Ihr Bastian Rütten aus Kevelaer.

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