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Kirche in WDR 5 | 05.02.2025 | 06:55 Uhr
Gem-einsam
Autorin: Guten Morgen.
Sie sitzt mir gegenüber. Wir sprechen vertraulich, die Studentin und ich.
Sprecherin (weiblich, jung): „Du bist in einem Raum voller Menschen, alle lachen um Dich herum. Es ist Leben im Raum, Du bist Teil der Masse und trotzdem fühlst Du Dich einsam und allein.“
Autorin: Einsamkeit – Einsamsein - ein Thema, das viele bewegt. Ganz gleich wie alt oder jung man ist. Einsamkeit kann jede und jeden treffen. Mal für kurze Zeit, mal für länger.
Sprecherin: „Das erste Mal so richtig einsam war ich, als ich zum Studium nach Köln gezogen bin.“
Autorin: Sagt die Studentin. Aus einem sehr vertrauten Umfeld in eine völlig neue und fremde Umgebung. Mutterseelenalleine steht sie damals in der großen Uni und muss alles selber meistern.
Und sie merkt: Es gibt einen Unterschied zwischen Alleinsein und Einsamkeit.
In einem Raum voller Menschen zu sein, kann bedeuten, sich trotzdem einsam zu fühlen.
Sprecherin: „Meistens fühle ich mich alleine mit diesem Thema. Alle um mich herum scheinen das doch zu schaffen, warum ich also nicht?“
Autorin: fragt die Studentin sich.
Einsam in der Fremde. Weit weg von Zuhause. Nicht allein, aber doch einsam.
So ergeht es auch Hagar, einer Frauengestalt im ersten Teil der Bibel.
Hagar ist auf der Flucht.
Dort, wo sie herkommt, hat man sie gedemütigt, als Objekt behandelt.
Sie trägt ein Kind in sich für eine andere, für Sara, ihre Herrin, der sie als Magd dient.
Von Abraham, Saras Mann, der sie zur Nebenfrau genommen hatte.
Sie ist nicht gefragt worden, hatte kein Mitspracherecht. Es ist ihre Pflicht als Magd, aber sie fu?hlt sich so unglaublich benutzt und einsam inmitten der Großfamilien und ihrer Mägde und Knechte.
Mit der Schwangerschaft ändert sich alles.
Immerhin ist sie nicht mehr alleine. Sie sind jetzt bald zu zweit. Das Kind und sie.
Wenn die Einsamkeit zu stark wird, dann legt sie die Hand auf ihren Bauch und kann die Bewegung spu?ren. Hagar weiß, dass sie nie wieder zurück will.
Sie hat dort keinen Platz, kein Zuhause, niemand, der sich um sie kümmert.
Sie ist mutterseelenallein trotz der vielen Menschen.
Jeden Tag wächst ihre Sehnsucht nach einer Heimat.
Jeden Tag wu?nscht sie sich einen Menschen, dem sie ihr Herz ausschu?tten kann.
Aber hier weit weg von den anderen, allein ohne Schutz fühlt sie sich ausgeliefert.
Dann trifft sie Gott -
in Gestalt eines Engels, der sagt:
Sprecherin: „Kehre zu deiner Herrin zurück. Ich werde deine Nachkommen
so zahlreich machen, dass man sie nicht zählen kann.“ (1)
Autorin: Hagar kann es kaum glauben. Da spricht tatsächlich jemand mit ihr.
Mit ihr, der unbedeutenden Frau. Sie spürt auf einmal:
Sie ist nicht allein. Es gibt jemanden, der ihre Situation, ihre Schmerzen wahrnimmt und mit ihr aushält. Jemand der SIE, eine einfache Magd erkannt und gesehen hat. (redundant)
Wie gut sich das anfühlt. Hagar merkt, dass ihr das Kraft gibt.
Genug Kraft sogar, um zurückzukehren und die Situation dort auszuhalten. Langsam steht sie wieder auf und denkt an ihre Rückkehr.
Erleichtert flüstert sie:
Sprecherin: »DU bist ein Gott, der mich sieht.“
Autorin: Gesehen werden - in der Einsamkeit nicht alleine bleiben.
Auch die Studentin macht diese Erfahrung. Sie fängt an, über das Gefühl zu sprechen.
Sprecherin: „Ich merke dann, dass andere das Gefühl auch kennen.
Plötzlich ist da jemand, die weiß, wovon ich spreche. Mit dem ich teilen kann, was mich belastet.“
Autorin: Jemand, die sie anschaut und einfach da ist.
Ich wünsche Ihnen, dass da jemand ist: In einem Raum voller Menschen oder allein an der großen Uni. Jemand, der mir die Hand auf die Schulter legt, mich ansieht und mir zuflüstert: „ich bin da – Du bist nicht allein.“
Ihre Pfarrerin Christiane Neufang aus Köln.
Quellen:
(1) Alle Zitate der Hagargeschichte aus: Die Bibel, 1. Mose 16. Hagar und Ismael
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze