Weniger ist mehr

Mittwochabend. Ich ziehe mit Micha und Sebi durch die Kneipen. Wir lassen es richtig krachen. Ratz fatz haben wir unseren Pegel intus, obwohl wir alle morgen früh raus müssen. Mitten in dieser Bierlaune höre ich mich sagen: "Ich trinke ab jetzt keinen Alkohol mehr, mindestens ein Jahr lang."

Das ist jetzt über zehn Monate her. Erst haben es meine Freunde überhaupt nicht gepeilt. Die dachten, ich würd'n Scherz machen. Überall, wo ich hinkam, kriegte ich Alkohol angeboten. "Komm schon, trink ein Bier mit uns!" "Sei doch kein Spielverderber!" "Nur EIN Bier, das wird ja wohl nicht so schlimm sein."

Ich bin standhaft geblieben, obwohl es manchmal ganz schön hart war: als Micha dreißig geworden ist. Oder als wir mit Sekt auf das neue Jahr angestoßen haben. Dafür hab ich aber auch viele Vorteile kennen gelernt: ich bin tagsüber viel konzentrierter und aufmerksamer, wenn ich auf das Feierabendbier verzichte. Ich hatte schon lange keine Kopfschmerzen mehr. Und Gespräche sind oft viel tiefsinniger, wenn bei Parties kein Alkohol im Spiel ist.

Mein Fazit: es ist ein starkes Gefühl, bewusst auf etwas zu verzichten. So spüre ich jeden Tag, dass ich den Alkohol im Griff habe und nicht umgekehrt. Weniger ist manchmal eben doch mehr. Wer weiß - vielleicht hänge ich nach dem Jahr noch ein paar Monate dran.

Sprecher: Daniel Schneider