Selfie´s, You-ie´s und We-ie´s

Das bin ich mit meinem Frühstück. Das bis ich in der U-Bahn. Und das bin ich mit meinem Lieblingsbuch auf meiner Lieblingsbank in meinem Lieblingspark. Keine Frage: Tina hat ziemlich viele Selfies auf ihrem Smartphone: Gefühlte 10.000. Fotos zuhause, bei der Ar-beit und im Urlaub. Wozu? Sie sagt: „Ich will wissen, wann ich wo war und was ich wann gemacht habe, damit ich mich später daran erinnern kann.“ Okay, was man früher in ihr Tagebuch geschrieben hat, ist jetzt eben ein Bilderbuch in einem digitalen Speicher.

Viele dieser Fotos speichert sie aber nicht nur, sie teilt sie auch bei Facebook und WhatsApp. „Ich spiele die Hauptrolle in meinem Leben und das soll jeder sehen können“, sagt sie.

Völlig ok, ist nicht meins – aber warum nicht? Nur was mir auffällt: Tina ist auf ihren ganzen Selfies meistens alleine zu sehen. Andere Menschen scheinen nur Nebendarsteller zu sein. Weitere Hauptrollen gibt es in ihrem Leben wohl nicht. Schade! Es mag ja vielleicht interessant sein, was man wann gefrühstückt hat, aber viel spannender ist doch die Frage, was ich wann mit wem gemacht habe. Wann habe ich Kay getroffen? Wann war ich mit Maike im Kino? Weißt du noch, als wir zusammen die Radtour gemacht haben? Das sind doch die eigentlich wichtigen und schönen Erinnerungen.

Ich habe echt nichts gegen Selfies, aber ich fände es klasse, wenn Tina auch ein paar mehr You-ies oder We-ies machen würde, damit sie später mal sieht, dass sie nicht alleine durchs Leben gegangen ist. Und damit sie heute schon merkt, wie wertvoll andere Menschen sind.

Martin Kürble, Düsseldorf

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