Nazifreundschaft

„Nee, oder?!“ rutscht es mir raus. Hektisch klicke ich mich durch das Facebookprofil von Martin, einem alten Schulfreund. Wir haben bestimmt fünf Jahre nichts voneinander gehört – und ich kann kaum glauben, was ich auf seiner Pinwand so alles lese: „Ausländer raus“. Martin gefällt das. „Geld für die Oma statt für Sinti und Roma.“ Martin gefällt das.

Mir nicht. Sorry, das war‘s, sage ich leise. Ein Klick, und Martin und ich sind die längste Zeit Facebook-Freunde gewesen. Ich bin echt aufgewühlt und muss das erst mal posten: „Zum ersten Mal online eine Freundschaft gekündigt. Nazis oder ich – beides geht nicht.“

Ein paar Stunden später: 78 meiner Freunde gefällt das, die Kommentare darunter sagen mir: Richtig so! Nur ganz unten schreibt jemand: WWJD. Mehr nicht. Das steht für: What would Jesus do – was hätte Jesus getan?

Blöde Frage, denke ich, ist doch klar… aber dann denke ich weiter: Jesus hat sich immer zu denen gesetzt, mit denen keiner etwas zu tun haben wollte. Hat mit Prostituierten und korrupten Beamten geredet und ihnen klar gemacht: Auch, wenn das, was du tust, absolut nicht in Ordnung ist – für mich bleibst du ein Mensch. Gerade das hat die Betroffenen dazu gebracht, nochmal über ihr Leben nachzudenken. Langsam klappe ich den Laptop auf, gehe auf Martin‘ Profil. Was ich da sehe, finde ich immer noch zum Kotzen. Dann klicke ich auf „Freund hinzufügen“. Und fange an, eine Nachricht zu schreiben.

Sprecher: Daniel Schneider