Gedenken

An einem grauen Novembermorgen stehen wir auf dem Friedhof. Ratlos, irgendwie immer noch unter Schock. Heute wird Tom beerdigt. Er gehörte früher fest in unsere Clique, letzte Woche ist er mit dem Auto von der nassen Straße abgekommen und gegen einen Baum gekracht.

Aus einem Ghettoblaster tönt Musik, wir liegen uns in den Armen und heulen Rotz und Wasser. „Niemals geht man so ganz / irgendwas von dir bleibt hier“, und wir schluchzen und nicken und wollen Tom nie vergessen und ihn in Gedanken festhalten.

Aber so richtig tröstet mich das nicht. Was ist, wenn der Alltag wiederkommt, ohne Tom? Was, wenn irgendwann keiner von uns mehr lebt und sich erinnern kann? Die Musik hat aufgehört, vorne am Grab redet jetzt die Pfarrerin. Irgendwas von Auferstehung und ewigem Leben, aber die Worte kommen nicht so richtig zu mir durch.

Ich denke an Tom, an unsere Abschlussfahrt, an lange Kneipenabende, will mich erinnern, solange ich noch kann. Auf einmal höre ich einen Satz, der mich in die Gegenwart zurückholt. „Gott, wertvoll ist der Mensch, weil du an ihn denkst“, sagt die Pfarrerin. Das bleibt hängen. Gott denkt an Tom, vergisst ihn nicht. Auch dann, wenn unsere Erinnerung verblasst. Ich bin immer noch scheißetraurig. Aber ich werde weiterleben. Und Tom vielleicht irgendwie auch. Denn Gott denkt an ihn – und an mich.

Sprecher: Daniel Schneider