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Kirche in 1Live | 27.12.2014 | floatend Uhr
Das Jesuskind im Aschenbecher
An Weihnachten ist nichts perfekt. Wir haben dieses Jahr echt die Luft angehalten. Doch der Reihe nach: Kurz vor Weihnachten stellen wir immer unsere alte Krippe im Wohnzimmer auf. Die ist ein echtes Familienerbstück: Nach dem Krieg hat Opa die Figuren gegen eine Flasche Schnaps getauscht und heimlich im Keller den Stall gebaut. Den hat Oma dann zum Geburtstag bekommen. Wenn sie an Heiligabend zu uns kommt, ist alles schon unter dem Weihnachtsbaum aufgebaut. Nur das Jesuskind will sie immer selbst in die Krippe legen, immer kurz vor sechs, keinesfalls früher, da ist sie eisern.
Als wir am Tag vorher alles aufbauen, bricht fast Panik aus, denn die Figuren haben den letzten Umzug nicht so ganz unbeschadet überstanden: Josefs Nase ist abgesplittert, Maria hat nur einen Arm, und die Heiligen Drei Könige haben ihre Geschenke unterwegs verloren. Aber am Schlimmsten: Die Krippe fehlt. Als Oma an Heiligabend zu uns kommt, sind wir ziemlich nervös. Kurz vor sechs nimmt sie das Jesuskind, geht zum Weihnachtsbaum - und bleibt wie angewurzelt stehen. Mein Vater will ihr was erklären, aber sie winkt ab, geht zum Schrank und holt einen kleinen Aschenbecher raus. Vorsichtig legt sie das Jesuskind da rein und stellt ihn zwischen den Josef ohne Nase, die Maria ohne Arm, die Heiligen Drei Könige ohne Geschenke. Aber Oma lächelt. „Jetzt stimmt es endlich“, sagt sie zufrieden. „Da gehört er hin.“ Wie gesagt: An Weihnachten ist nichts perfekt.
Sprecher: Daniel Schneider