Ohrenurlaub

Urlaub für die Ohren und für das Herz. Letzten Herbst war ich in Israel, am höchsten jüdischen Feiertag: Jom Kippur. An dem Tag fahren keine Autos, niemand hört Musik, man begeht ihn in aller Stille. Selbst dann, wenn man keine Jüdin oder nicht einmal besonders religiös ist. Ich sehe uns noch, wie wir in der prallen Sonne auf der Autobahn spazieren gehen. Es ist, als ob die Welt den Atem angehalten hat.

Am Anfang ist das fast ein bisschen anstrengend: Keine Geräusche, die mich ablenken. Aber ich gewöhne mich erstaunlich schnell dran, und passe mich dem Rhythmus des Tages an: Ich gehe langsamer, vorsichtiger, unsere Gespräche sind leiser, aber irgendwie total intensiv. Irgendwann nehme ich sogar die Farben anders wahr und kann zwischendurch sogar meinen eigenen Herzschlag hören. Glaube ich. Am Ende des Tages fühlt es sich an, als ob meine Ohren und mein Herz im Urlaub gewesen wären. Die Auszeit hat gut getan.

Deswegen freue ich mich fast ein bisschen auf Karfreitag. Mit der ganzen Geschichte von der Kreuzigung kann ich nicht so viel anfangen, und auf der Autobahn werde ich auch nicht spazieren. Aber ich freue mich auf einen kleinen Ohren- und Herzensurlaub. Auf einen Tag, an dem es ein bisschen stiller ist als sonst und ich eine Chance habe, das zu hören, was sonst untergeht.

Sprecherin: Alexa Christ