Liebe und Relgion

„Religion ist scheiße“, verkündet Rashid abends in der Kneipe. „Egal welche, egal wo, egal wann: Immer führt es zu Krieg und Unterdrückung.“ Zustimmendes Gemurmel um den ganzen Tisch herum.

Ich beschäftige mich sehr intensiv mit dem Etikett auf meiner Bierflasche. Rashid guckt mich erwartungsvoll an. Seitdem ich in einem evangelischen Kindergarten arbeite, häufen sich solche Diskussionen. Und immer geht es um Kreuzzüge, Hexenverbrennungen, Missbrauchsfälle und den Nahost-Konflikt. Ich weiß nie so richtig, was ich da sagen soll.

Da meldet sich auf einmal Sarah. Sie gehört erst seit Kurzem zu unserer Clique, war früher lange bei den Pfadfindern. „Ich weiß nicht, ob an all dem die Religion an sich schuld ist“, sagt sie nachdenklich. Jetzt geht’s los, denke ich, aber die anderen sind erstmal leise. Und Sarah redet weiter.

Aus ihrer Tasche holt sie ein kleines gelbes Reclam-Heft: Romeo und Julia. Sie sagt: „Guckt euch doch mal um, wie viele Konflikte es gibt, weil Menschen lieben, wie viele Kriege deswegen schon geführt wurden. Und keiner will doch deswegen die Liebe abschaffen.

Weil es nicht an der Liebe an sich liegt, sondern an den Menschen, die damit nicht umgehen können…“ Lange Zeit ist es still, nicht einmal Rashid hat eine passende Antwort darauf. Irgendwann reden sie über etwas anderes weiter, aber ich hänge noch an Sarahs Antwort. Sie leuchtet mir ein. Liebe und Religion, beides wird von Menschen falsch verstanden oder missbraucht. Aber ich kann mir ein Leben ohne Liebe nicht vorstellen. Und ohne Religion auch nicht.

Sprecherin: Alexa Christ