Hingucken

Sonntagabend ist Kinoabend in der WG! Chips, Popcorn, Schokolade und jede Woche muss jemand anders einen Film besorgen. Vorher wird traditionell noch der Putzplan besprochen und wir schauen gemeinsam die Tagesschau. Diese Woche passiert es während ebendiesen Fernsehnachrichten.

„Ich kann es nicht mehr sehen“, sagt meine Mitbewohnerin Nina, steht vom Sofa auf und zeigt auf den Fernseher. Bilder von Flüchtlingen im Mittelmeer und der italienischen Küstenwache flimmern über den Schirm.

„Immer nur Leid! Ukraine, Syrien, Mittelmeer und Afghanistan...ich gucke mir das nicht mehr an.“ Mein Mitbewohner Mert und ich bleiben sitzen und schauen sie an... „Und Du?“, frage ich meinen Mitbewohner, „bist du für eine Änderung unseres Kinoabends?“ „ Nein.“ ,sagt Mert. „Ich gucke mir das an. Weil es mich daran erinnert, dass Demokratie und Wohlstand keine Selbstverständlichkeit sind. Weil es mich daran erinnert, dass es nicht viel braucht, damit ein Land plötzlich im Krieg mit anderen Ländern ist. Und weil es mich daran erinnert, dass ICH eine Verantwortung trage. Mit meiner Meinung kann ich Stimmung gegen nationalsozialistische Strömungen machen, mit meinem Wissen kann ich Vorurteile entkräften, mit meiner Stimme bei einer Wahl kann ich den Kurs einer Partei bestimmen. Dafür darf ich nur zwei Dinge nicht: Weggucken und Vergessen. Deswegen gucke ich hin.“

Nina denkt kurz nach. Dann schnappt sie sich die Popcornschüssel und setzt sich wieder neben mich. „So habe ich noch nie hingeguckt.“ sagt sie.

Sprecherin: Alexa