Engel

Ich glaube nicht an Engel. Jedenfalls nicht an die Kerle im weißen Kleid mit den großen Flügeln wie aus der Werbung. Aber dass es Menschen gibt, die auf besondere Weise auf mein Leben einwirken, das glaube ich schon. Und gerne glaube ich auch, dass sie manchmal der Himmel schickt.

Mir ist im Urlaub in Frankreich tatsächlich so jemand begegnet. Eigentlich war die Wanderroute idiotensicher. Auf einem Rundweg kann man ja nicht verloren gehen. Dachte ich jedenfalls. Und wenn man den Schildern nachgeht, kommt man ja wieder zum Startpunkt. Das Problem ist nur, wenn nirgendwo steht, wie lang der Weg eigentlich ist. Wer ahnt schon, dass der durch halb Frankreich führt…

Nach fünf Stunden entlang von Landstraßen, durch Felder und Wälder waren wir wirklich schon ziemlich am Ende. Ich habe dann versucht einen Waldarbeiter nach dem Weg zu fragen. Der konnte aber kein Englisch und ich kein Französisch. Ich habe ihm dann den Namen von unserem Campingplatz gesagt. Er riss die Augen auf und schaute uns mitleidig an. Gut, das war wenig ermutigend. Langsam wurde es auch dunkel. Nach ungefähr einer weiteren Stunde Fußmarsch kam uns auf einer Landstraße ein Auto entgegen. Normalerweise ist das nicht meine Art, aber ich habe es angehalten. Auch diese Dame sprach leider kein Englisch, aber sie hat auch so verstanden, dass wir so ziemlich am Ende waren. Und obwohl sie wohl von der Arbeit kam und eigentlich nach Hause wollte, hat sie ihre Sitze im Auto freigemacht und uns einsteigen lassen. „Kommt, ich fahre euch hin. Das schafft ihr alleine nicht mehr“ hat sie wohl gesagt. Gott sein Dank, sage ich, dass grade diese Frau hier in der vollkommen verlassenen Gegend mit ihrem Wagen entlang kam. Und das sie das Herz hatte, uns zu helfen. Ja, an solche Engel glaube ich.

Martin Kürble, Düsseldorf

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