Viktor Staudt

Viktor kam mit dem Zug, wir waren auf dem Bahnsteig verabredet. Fast hätte ich ihn im Gewusel übersehen. Aber dann habe ich ihn mit seinem Sportrollstuhl entdeckt. Wir hatten bisher nur ein paar Mal gemailt und telefoniert, um einen Vortrag klarzumachen, den er in unserem Stadtteil halten sollte. Auf dem Weg dorthin haben wir uns dann ein bisschen kennen gelernt. Viktor ist unheimlich aufgeschlossen. Er wirkt total lebensbejahend und spricht mit großem ernst über die Dinge, die ihn bewegen. Und da gibt es sein ganz großes Thema: Viktor Staudt hat nicht immer im Rollstuhl gesessen. Vor ein paar Jahren hat er versucht sich umzubringen. Er hatte alles geplant, keinen Zweifel, dass sein Entschluss der absolut richtige ist und auch kein Zweifel, dass es klappen würde. Aber der Intercity, vor den er sich in Amsterdam geworfen hat, hat ihm „nur“ die Beine abgeschnitten. Viktor überlebt. Als er im Krankenhaus wieder aufwacht muss er sich ins Leben zurückkämpfen - oder besser - in sein neues Leben hineinkämpfen. Sein Leben als Rollstuhlfahrer. Viel wichtiger und vielleicht auch härter: in ein Leben, aus dem er nicht mehr ständig wieder aussteigen will. Dass er nicht jeden Morgen am liebsten beenden will. Viktor hat eine Ärztin gefunden, die bei ihm Depressionen diagnostiziert hat. Seit dem wird er gegen diese Krankheit behandelt und fühlt sich zum ersten Mal in seinem Leben gut. Und das ist sein ganz großes Lebensthema, für das er quer durch Holland und Deutschland reist, um den Menschen seine Geschichte zu erzählen. „Die Geschichte meines Selbst-mords und wie ich das Leben wiederfand“. So heißt auch das Buch, das er geschrieben hat. Er will damit Menschen Mut machen, die eigenen Probleme genauer in den Blick zu nehmen und vor allem, sich helfen zu lassen. Denn es gibt professionelle Hilfe - in der Trauer, in der absoluten Hoffnungslosigkeit.

Martin Kürble, Düsseldorf

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