Realistisch

Letzten Donnerstag hat er wieder bei mir geklingelt. Donnerstags fährt Gott nämlich immer in die Stadt zum Einkaufen. Und dann macht er einen Zwischenstopp. Wir trinken eine Tasse Kaffee und reden über ihn, mich und die Welt. „Gut, dass du da bist“, sage ich, kaum dass er zur Tür reingekommen ist. „Ich habe schon wieder Stress mit meinem Kollegen.“ „Wenn ich was für euch tun kann, dann mache ich das gerne. Aber hast du schon mit ihm über die Sache gesprochen?“

„Jetzt mal ganz realistisch betrachtet“, maule ich, „mit so einem Horst kann man einfach nicht reden.“ Gott grinst. „Guck nicht so! Ich will dir doch bloß einen Deal vorschlagen. Also: ich werde zu deinem Kollegen gehen und mit ihm reden. Wie heißt er eigentlich richtig? Doch nicht wirklich Horst?!“ „Nein, natürlich nicht. Er heißt Felix. Felix Gottschalk.“ „Gefällt mir. Aus dem Lateinischen übersetzt heißt das doch ‚der fröhliche Gottesknecht‘. Bei so einem Namen lässt sich da bestimmt was machen.“

„Dein Wort in Gottes ... ach Blödsinn. Aber was ist denn mein Part bei dem Deal?“

„Du musst mir versprechen, nie mehr, wirklich nie mehr das Wort ‚realistisch‘ zu benutzen. Weil du gerade dann nicht realistisch rangehst. Sondern eher hoffnungslos pessimistisch. Auf jeden Fall aber weit entfernt von wahrhaft realistischen Möglichkeiten. Und so will ich euch nicht. Ich will einen fröhlichen Felix und einen löwenstarken Daniel. Also: Deal?“

„Deal!“, antworte ich. „Dass du selbst dann noch was bewegen kannst, wenn ich mit meinem Latein am Ende bin, halte ich für ... tja ... realistisch. Aber ganz im Sinne des Wortes.“

Gott lacht. „Pass bloß auf, dass ich dir jetzt keine Vertragsstrafe aufbrumme.

Sprecher: Daniel Schneider