Voll behindert?

Ich bin behindert. Da muss jetzt keiner peinlich berührt sein oder auf Mitleid tun. So steht das in einem extra Ausweis, den ich immer in meinem Portemonnaie trage.

Hat Vor- und Nachteile. Ein Vorteil ist, dass ich kostenlos mit Bus und Bahn fahren kann, oder, dass ich überall wo ich hingehe jemand kostenlos als Begleitung mitnehmen kann. Nachteil ist natürlich die Behinderung an sich. Ich sehe ziemlich schlecht. Da ich aber damit geboren bin, kenne ich es nicht anders. Ich denke mal, dass 90 Prozent der Leute, mit denen ich zu tun habe, davon auch nix mitkriegen. Ich hab kein Problem darüber zu reden. Ich hab auch kein Problem, wenn Leute Witze machen. Witzeln heißt: ich habe keine Angst über ein Thema zu reden.

Über Terroranschläge macht man keine Witze, über Brillenträger schon. Womit ich ein Problem habe, das sind Leute mit vorgetäuschtem Mitleid. „Ach Behinderte haben es ja so schwer.“ Eigentlich darf ich ja auch gar nicht behindert sagen, sondern müsste korrekterweise den Begriff „Mensch mit Behinderung“ verwenden, muss ja schon alles politisch korrekt sein hier. Meiner Meinung nach alles Unsinn. Es kommt nicht darauf an, welche Worte jemand wählt, sondern wie derjenige handelt. Wir sind alles Menschen, jeder ist auf seine Art anders. Du bist vielleicht behindert, was Mathe, oder was Einparken angeht, ich was das Sehen angeht.

Renardo Schlegelmilch

Köln