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Kirche in 1Live | 25.09.2017 | floatend Uhr
Mut zur Lücke
Marie stöhnt über ihren Bewerbungsunterlagen. Die Fotos sind neu und perfekt, die Arbeitsproben funkeln, ein paar ordentliche Zeugnisse hat sie auch. Aber da ist diese Lücke zwischen Oktober 2015 und Mai 2016. Da hatte Marie gerade ihr Studium geschmissen, auf einen neuen Platz gewartet, langwieriger Liebeskummer und die großzügige Unterstützung ihrer Eltern haben sie davon abgehalten, sich einen Job zu suchen.
Ihr fallen auch keine klugen Umschreibungen ein, mit denen man diese Monate irgendwie veredeln könnte, und lügen soll man ja auch nicht. Und ich denk mir: So ein Bullshit. Als ob man über jede Minute seines Lebens Rechenschaft ablegen müsste. Oder könnte. Jesus zum Beispiel hat eine fast zwanzig Jahre lange Lücke in seinem Lebenslauf. Als der dann mit Dreißig auf einmal auftauchte und Kranke heilte, hat ihn auch keiner gefragt: Was haben sie denn direkt nach dem Abi gemacht? Die Leute haben sich gesund machen lassen, sein Brot gegessen, ihm zugehört und das, was er gesagt hat, ziemlich gut gefunden. Die meisten jedenfalls.
Also, Mut zur Lücke, rate ich Marie. Drei Wochen später ruft sie mich an. „Ich hab den Job“ brüllt sie ins Telefon, und wir verabreden uns zum Feiern. Nach der Lücke ist sie zwar gefragt worden, aber das hat keine Rolle gespielt. Wichtig ist, was sie jetzt macht, nicht, was sie irgendwann mal nicht gemacht hat. Und eigentlich ist das ja immer so.