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Kirche in 1Live | 29.09.2017 | floatend Uhr
Jetzt gerade das Richtige
Ich stehe am Bahnhof und warte. Hendriks Zug hat über eine halbe Stunde Verspätung. Als er mir endlich auf dem Bahnsteig entgegenkommt, ist er leichenblass, komplett durch den Wind. In seinem Zugabteil ist ein Mann zusammengeklappt. Und gestorben. Einfach so. Trotz Erster Hilfe und direktem Notarzteinsatz.
Schweigend gehen wir durch die Fußgängerzone, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Nicht gerade der Start, den wir für unser Feierwochenende geplant hatten. Aber so ist das Leben manchmal. Scheiße. Als wir an einer Kirche vorbeikommen, bleiben wir beide stehen. Zögern einen Augenblick. Die Tür ist offen. Ich fühle mich unwohl, wie ein Einbrecher oder so, weil ich da sonst nie reingehen würde.
Aber jetzt ist anders, jetzt ist nicht „sonst“. Wir gehen nach vorne und stehen irgendwann vor einem großen Ständer, in dem viele Kerzen stehen. Manche schon runtergebrannt, andere noch ganz neu. Unschlüssig gucke ich auf die Kerzen und weiß nicht, ob man zahlen muss, um eine anzuzünden. Hendrik scheint ähnliches durch den Kopf zu gehen, dann nimmt er eine Kerze, zündet sie an und stellt sie neben die anderen. „Ist ja nicht für mich, sondern für den Mann aus dem Zug“, erklärt er. Ich nicke, aber denke: Doch. Die ist auch für Dich. Und für alle anderen aus dem Zug. Und für die, die das gerade brauchen… Ist das schon Beten? Ich weiß es nicht. Ist aber gerade jetzt das Richtige.
