Mike sortiert

Ein bisschen was hat Mike vom Nikolaus. Er hat so schulterlange, graue Haare und einen weißen Bart. Nur die Kleidung passt überhaupt nicht. Er trägt ein Käppi mit ein paar Buttons dran, eine schwarze Lederhose und einen uralten olivgrünen Parker. Darunter noch eine Jacke, zwei Pullover und zwei T-Shirts. Mike muss viele Schichten am Körper tragen, weil´s kalt geworden ist. Er lebt nämlich auf der Straße.

Unregelmäßig kommt er zur Lebensmittelausgabe in unserem Stadtteil. Und wenn er da ist, dann hat er für sich eine besondere Aufgabe: Es gibt dort nicht nur Lebensmittel, sondern auch Kleidung. Das, was in unserer Kirchen-Gemeinde an gut erhaltenen Hemden, Hosen, Schuhen und Pullovern so abgegeben wird, liegt in einem kleinen Raum aus und kann mitgenommen werden. Als ich Mike zum ersten Mal zwischen den Wäschestapeln gesehen habe, dachte ich eigentlich, dass er etwas für sich aussucht. War aber gar nicht so. „Die anderen wühlen hier immer alles durch. Und ich bringe für die Nächsten da wieder Ordnung rein. Sonst finden die ja nichts“, sagt er. Ich habe wahrscheinlich so verdutzt geguckt, dass er dann meinte: „Ich kriege hier umsonst leckere Sachen, dann will ich da auch was für tun. Das ist doch klar!“

Nein. So klar ist das gar nicht. Die meisten Menschen, die ich kenne – und da schließe ich mich nicht aus – haben ganz selbstverständlich schon alles, was sie brauchen und nehmen trotzdem gerne immer noch mehr. Und wenn es umsonst ist, ist es nochmal so gut. Für Mike ist nichts selbstverständlich. Außer, dass er für das Wenige, was er bekommt, auch etwas zurückgibt.

Martin Kürble, Düsseldorf