Heilige Familie?

Am Ende des Jahres steht sie im Wohnzimmer, aus Keramik oder Holz, inmitten süddeutsch anmutender Stallromantik, wir holen sie raus, stauben sie ab, stellen sie hin, singen sie an: Die Heilige Familie. Eine Frau, ein Mann und ein Kind, holder Knab‘ mit lockigem Haar und Heiligenschein.

Landauf, landab wird sie beschworen, bei den selbsternannten Rettern des Abendlands, sie zeigen sie vor, halten sie hoch, beten sie an: Die Heilige Familie. Eine Frau, ein Mann, und 1,38 Kinder, durchschnittlich, holder Knab‘ mit lockigem Haar oder liebreizendes Mädel mit strengem Zopf.

Am Ende des Jahres sitzt sie im Wohnzimmer, aus Fleisch und Blut, inmitten einer Wolke aus Old Spice und Kölnisch Wasser. Wir laden sie ein, füttern sie durch, halten sie aus-, zweifeln sie an: Die Heilige Familie. Eine Frau, ein Mann, Kinder und Enkelkinder, Schwippschwägerinnen und Cousins und Oma und Onkel Karl. Faltige Häupter mit silbernem Haar, und wir schenken uns ja nichts. Wir schenken uns wirklich nichts – von Kommentaren über Frisuren und Hüftspeck ist alles dabei.

Auch die erste Heilige Familie war, bei Licht betrachtet, gar nicht so heilig. Jesus ist in eine Patchworkfamilie geboren, Maria war ungewollt schwanger, Josef hätte am liebsten die Biege gemacht. Und trotzdem ist Weihnachten geworden. Vielleicht gerade deswegen. Dann klappt das auch bei uns.