Öffnungszeiten

Kurz vor 22 Uhr stehe ich an der Kasse. Grad hab ich’s noch geschafft mir ein paar Lebensmittel zu holen. In meinem Kühlschrank herrscht gähnende Leere. Hinter mir baut sich noch eine kleine Schlange auf. Boah, sagt die Verkäuferin, den ganzen Tag tote Hose und jetzt kommen sie alle. Ich fühle mich angegriffen, schließlich hat der Laden bis 22 Uhr auf. Ganz schön unprofessionell, das so vor dem Kunden zu sagen, denke ich, aber dann ändert sie den Ton und sagt leise: Ich möchte auch zu meinen Kindern, und in diesem Moment kann ich sie verstehen.

Klar ist es schön und bequem immer und fast zu jeder Zeit alles haben zu können. Aber die Mitarbeiter sind die Leidtragenden, oft junge Frauen und Mütter. Unser Wirtschaftssystem misst seinen Erfolg im Wachstum, das heißt: immer mehr. Was dabei auf der Strecke bleibt, ist mir in diesem Moment durch die sehr persönliche Bemerkung der Verkäuferin klargeworden. Die Bemerkung war vielleicht unprofessionell, dafür aber authentisch und wahr. Hat die Wirtschaft kein Interesse an gesunden Familienstrukturen? An funktionierenden Beziehungen?

Und während ich mit meiner Tiefkühlpizza, den Tomaten und dem Müsli auf den Parkplatz schlendere, merke ich, dass ich zwar auf die Wirtschaft schimpfen kann, dass es aber doch sinnvoller ist, bei mir anzufangen. Den Einkauf ein bisschen vorrausschauender planen zum Beispiel. Es ändert wahrscheinlich nicht das System der Öffnungszeiten, aber zumindest sorgt ein Kunde weniger am späten Abend vielleicht mit dafür, dass die Verkäuferin eher bei ihrer Familie ist.