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Kirche in 1Live | 27.03.2018 | floatend Uhr
Gebete die zu Boden fallen
Ein Krankenzimmer in Bocholt,
die Vorhänge zugezogen.
Sie liegt auf ihrem Bett.
Die letzten Züge fallen schwer, tun weh.
Die Uhr tickt, so laut,
so schnell,
und doch so unendlich langsam.
Der Lärm der Welt entfernt sich.
Fleckige Hände falten Gebete,
ungelenk,
zerbrechliche Gebilde
aus dünnem Papier.
Auf einmal krampft die Hand sich zusammen.
Noch ein heftiger Atemzug,
noch ein Schluck Leben.
Der Rest ist ewiges Ausatmen.
Rotgrelles Piepen
zerschneidet den Tag.
Ein zerknüllter Fetzen aus unsichtbarem Papier
fällt aus der kraftlosen Hand,
rollt unters Bett
und bleibt liegen.
Gebete, die zu Boden fallen,
überall und zu allen Zeiten.
Von mir sind auch welche dabei.
Wenn mir die Worte fehlen.
Die Kraft, um den Kopf zu heben
und sie in den Himmel zu schreien,
wo sie hingehören.
Vielleicht ist die ganze Erde voller Gebete,
wie Vogeljunge, die aus dem Nest gefallen sind.
Nackt, unfertig und klein.
Von mir sind welche dabei.
Von dir vielleicht auch.
Wenn mich jemand fragt:
Wozu glaubst du das eigentlich,
mit deinem Jesus und Gott und so?
Dann denke ich manchmal:
Genau deswegen.
Weil er runterkommt. Ganz tief nach unten.
Nimmt die Gebete vorsichtig hoch,
birgt sie in seiner Hand.
Bläst sie trocken mit warmem Atem.
Und lässt sie fliegen. Ganz nach oben.
Wo sie hingehören.
Sprecher: Daniel Schneider