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Kirche in 1Live | 31.07.2018 | floatend Uhr
No Filter
Es ist so einfach. Ein Foto mit dem Smartphone gemacht, ein paar Mal über den Bildschirm gewischt – und schon sehe ich aus wie ein Model. Naja, zumindest ein bisschen. Die Augenringe sind weg, die Haut ist makellos, mein Gesicht ein bisschen dünner. Foto hochladen und Likes kassieren. Praktisch ist das! Schade, dass es für das normale Leben keinen Filter gibt.
Ich merke, dass mich das ein bisschen nervös macht. Dass mein Tinder-Date vielleicht enttäuscht ist, wenn ich in 3D auftauche und nicht ganz so modelmäßig aussehe wie auf meinen Profilbildern. Ganz ehrlich: Unterm Strich ist das Ganze sogar ziemlich anstrengend. Wobei – es gibt ja diesen Hashtag „No Filter“. Den benutzen meistens Leute, wenn sie aus purem Glück ein total schönes Foto von einem Sonnenuntergang gemacht haben, dass so toll ist, dass es fast wieder unecht aussieht. No Filter. Ich glaube, dass Gott diesen Hashtag mag.
Weil Gott sowieso durchschaut, wenn ich versuche, besser zu sein als ich eigentlich bin. Mich so sieht, wie ich bin, ob ich mich selbst so mag oder nicht. Als mir das zum ersten Mal klargeworden ist, war die Vorstellung ein bisschen gruselig. Aber wenn ich drüber nachdenke, finde ich das sehr entspannend. Ich muss mich nicht zurechtmachen für Gott, nicht den perfekten Winkel suchen, nichts an mir verstecken, überschminken, vergrößern oder definieren. Gott kennt meine Schokoladenseiten – und die anderen auch. Und sagt trotzdem: Ich mag dich. Vielleicht trau ich mich demnächst, mal so ein Selfie zu posten. Ohne Filter. Dann stell ich mir vor, wie da oben jemand den Daumen hoch macht.
Sprecher: Daniel Schneider