Nie mehr mein Freund

„...dann bist du nie mehr mein Freund!“ Diesen Satz hab ich mir als kleiner Junge von meiner Schwester abgeguckt. Und er hat funktioniert. Ich konnte damit wunderbar meinen Willen durchsetzen. Natürlich musste man diesen Satz mit der nötigen Ernsthaftigkeit aussprechen. Betonung auf dem langgezogenen „niiieee mehr“.

Nie mehr mein Freund. Wenn ich das als Erwachsener sage, bzw. wenn ich so ein Gefühl in mir trage, dass ein anderer wohl nie mehr mein Freund sein kann, dann geht es um anderes. Dann geht es wirklich um Trennung. Um Streit. Um Verletzungen.

Ja, es kann furchtbar wehtun, eine Freundin oder einen Freund zu verlieren. Und es kann eine halbe Ewigkeit dauern, bis aus Wut eine ruhige Gleichgültigkeit wird.

Aber ich habe gelernt: Verzeihen meint nicht unbedingt eine Entscheidung, die ich einfach mal so und mit einer Portion guten Willens treffen könnte. Oft beschreibt das Verzeihen-Können einen langen Weg. An dessen Ende kann im guten Fall Erleichterung stehen. Dass man überhaupt wieder miteinander reden kann, im besten Fall sogar wieder miteinander lachen.

„Nie mehr mein Freund.“ Vielleicht ist das irgendwann auch gar nicht mehr nötig oder wichtig. Wichtig ist, dass ich keine Wut mehr empfinden muss. Denn all diese Wut, die ich über eine lange, lange Zeit in mir getragen habe, hat nicht den anderen, sondern mich selbst vergiftet.

„Nie mehr mein Freund.“ Aber ein Mensch, dem ich wieder in die Augen sehen kann, weil mein Selbstwertgefühl das zulässt.

Sprecher: Daniel Schneider