Mein Poesie Klub

Ich komme aus dem Supermarkt und mich lächelt ein Schild von der Stellenanzeigen-Wand an. Normalerweise gehe ich daran vorbei und schaue weg, denn: „Frau gehobenen Alters sucht Haushaltshilfe“ oder „Insektenausstellung in der Stadthalle“ spricht mich jetzt nicht so an. Dieses Mal aber kann ich nicht wegschauen: „Poets wanted“ steht da - zu Deutsch: Poeten gesucht. Und ich – der Polit-Theorie-Student – fühl mich sofort angesprochen. Ich schreibe seit ich 16 bin, besonders Gedichte füllen meine Notizblöcke. Also hat das perfekt gepasst. Also hab ich da mit gemacht. Am Anfang waren wir ein kleines Poesie-Kollektiv, das sich von Woche zu Woche getroffen hat, um sich gegenseitig Gedichte, Kurzgeschichten und andere Texte vorzulesen. Regeln gibt es keine. Jeder schreibt, was er will.

Mittlerweile veranstalten wir Open-Mic- Events, bei denen Sänger, Musiker und Poeten sich frei ausdrücken können. Weniger als Wettbewerb, sondern mehr als freie Bühne. Richtig krasse Atmosphären entstehen dabei. Manchmal binden wir die Abende auch an Themen. Letztens hatten wir zum Beispiel psychische Gesundheit. Da sind krasse und ehrliche Texte dabei. Beibehalten haben wir aber auch die kleineren Treffen, wo wir uns gegenseitig Gedichte in einer etwas intimeren Runde vorlesen. Schön, sowas auch mal neben der Polittheorie mit der Uni zu verbinden.

Wenn ich mir überlege, dass ich vor einem Jahr im Supermarkt fast weggeschaut hätte, hätte ich das alles gar nicht mitgekriegt. Also: Augen auf. Vielleicht versteckt sich ja hinter der nächsten doch so langweiligen Anzeigen- Wand ein bisschen mehr, als gedacht.

Simon Zalandauskas, Lemgo