Schublade auf, Mensch rein

Ich bin mal wieder im Zug und mir gegenüber setzt sich jemand, der einen großen Wanderrucksack mit sich geschleppt hat und offensichtlich schon einige Kilometer hinter sich gebracht hatte. Warum auch immer kann ich meine Blicke nicht bei mir behalten. Ich bin verwirrt, denn: Ich kann nicht erkennen, ob das ein Mädchen oder Junge ist

Und genau diese Frage schockt mich in dem Moment total geschockt und später ärgert sie mich auch. Ich bin doch diejenige, die immer Gendergerechtigkeit predigt und dass jeder Mensch für sich selbst sein Geschlecht bestimmen kann. Warum also musste ich so dringend für mich klären, ob sie ein Mädchen oder ein Junge ist?! Ist doch völlig egal.

Ich hab noch total lange über diese Situation nachgedacht und mich immer wieder gefragt, warum die Frage des Geschlechtes so wichtig für mich ist.

Ich denke, das hat etwas mit den Schubladen zu tun. Menschen denken ja gerne in Schubladen. Ich auch. Generell gibt es dagegen ja auch nichts einzuwenden und manchmal ist das sogar total hilfreich. Schwierig wird’s ja erst, wenn wir die Menschen in eine Schublade für ewig festklemmen. Im Zug hab ich gemerkt, dass selbst mein ausgefuchstes Schubladensystem eben doch nicht immer passt und ich vielleicht auf ein offenes Schrankmodel zurückgreifen muss, in dem die Laden und Regale einfach offen stehen und ich die Dinge immer wieder neu einsortieren kann.