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Kirche in 1Live | 25.06.2019 | floatend Uhr
Kirche in der Krise
Vor einigen Wochen hatte ich das Glück
auf Doris Reisinger zu treffen. Doris ist 36 Jahre alt und war bis 2011 Teil
der katholischen Gemeinschaft „das Werk“. Und genau da hat sie den Horror
erlebt, von dem zur Zeit alle sprechen: sexueller Missbrauch. Und nicht nur
das. Doris spricht davon, dass ihr sexueller Missbrauch nur möglich war, weil
sie Jahre lang geistlich missbraucht wurde. 2014 ist die ehemalige
Ordensschwester
an die Öffentlichkeit
gegangen und erzählte über ihr Schicksal.
Für mich war es das erste Mal, dass
ich so konkret
mit einer Betroffenen des
Missbrauchsskandals sprechen konnte und es hat mich sprachlos gemacht. Und
nicht nur sprachlos. Ich hab mich total für meine Kirche geschämt. Natürlich
war mir auch vorher klar, dass das alles passiert ist und noch viel schlimmer,
immer noch passiert. Aber jemandem in die Augen zu sehen und sich die
Horrorgeschichten erzählen zu lassen, ist etwas anderes.
Warum arbeite ich dann überhaupt noch für diese Kirche?
Ich gebe zu, dass ich schon 1000 Mal gedacht habe, ich schmeiß den Scheiß hin. Soll doch jemand anders versuchen den Karren aus dem Mist zu ziehen. Sollen sich die Anderen fragen lassen „wie kannst du für diese Kirche überhaupt noch arbeiten?“ Das was da abgeht ist nicht meine Kirche!
Dann versuch ich daran zu denken, warum ich das alles mache. Ich selbst hab mich in der Kirche immer zu Hause gefühlt. Kirche war ein Raum für mich, der Sicherheit bedeutet hat, in dem ich mich ausprobieren konnte, in dem Fehler erlaubt waren. Ich durfte schon als Kind erfahren was es heißt Gemeinschaft zu leben. Und genau das möchte ich auch anderen möglich machen, denn das ist Kirche!