Mobbing

Warum er das Opfer war, weiß ich nicht. Es ging total schnell. Christian kam irgendwann in unsere Klasse und war eigentlich ein ganz normaler Typ. Nicht der sportlichste und auch sonst kein Überflieger, insgesamt eher unauffällig. Und trotzdem war er zuerst der Außenseiter, dann das Opfer. Wenn in der Pause einer alleine dastand, dann war das Christian. Und wenn im Unterricht über irgendwen blöde Witze gemacht wurden über die sich alle, sogar die Lehrer, kaputtgelacht haben, dann war das über Christian. Und wenn auf dem Weg nach Hause von einem die Schulsachen aus dem Bus geworfen wurden, dann waren das die von Christian. Ich weiß noch, dass es mich Überwindung gekostet hat, mich ab und zu mal mit ihm zu unterhalten. Was, wenn die andern das sehen und denken ich bin dessen Freund? Dann bin ich vielleicht als nächster dran. Heute schäme ich mich dafür, dass ich nicht Haltung gezeigt habe. Ich habe geschwiegen – und das war schon falsch. So war ich Teil der Gruppe, die diesen Jungen Tag für Tag gedemütigt hat. Jeden Tag ein bisschen mehr. Jeden Tag ein bisschen fieser. Und jeden Tag ein bisschen gewalttätiger.

Christian war ziemlich schnell aus unserer Klasse wieder verschwunden. Keine Ahnung, was aus ihm geworden ist. Heute, mit Abstand, weiß ich, dass unser Verhalten damals Mobbing war. Heute weiß ich, dass diese tägliche Gewalt Menschen nicht nur demütigt, sondern auch umbringen kann. Und heute weiß ich, wie wichtig es ist, den Mund aufzumachen und Haltung zu zeigen. Stoppt Mobbing! An eurer Schule, an eurem Arbeitsplatz! Da, wo ihr mitbekommt, dass ein anderer Mensch erniedrigt wird.