Wüstenwege

„Wie hältst du das nur aus?“ frage Marie. Sie hat lange geredet. Sie hat sich nicht beklagt oder so, einfach nur erzählt. Von ihren zwei Jobs, bei denen am Ende weniger übrigbleibt als nötig. Von ihrer Trennung im letzten Herbst. Vom BaFöG-Antrag, der bei irgendeinem Amt verschimmelt.

Von dieser letzten Hausarbeit, die auf ihrem eigenen Schreibtisch vor sich hin schimmelt. Von ihrer Mutter, die jetzt zum dritten Mal eine Chemo macht, und ihrem Vater, der darüber vollkommen durchdreht. „Wie hältst du das nur aus?“ frage ich nochmal. Marie stellt die Tasse wieder hin. „Manchmal nur gerade eben so“, sagt sie, „aber ich bin ja nicht allein.“ Sie holt ihr Handy aus der Tasche. Hinten, unter der transparenten Hülle, steckt ein Zettel. Sie hält mir das Smartphone hin. „Mein Konfirmationsspruch“, sagt sie. Mit Kuli in runder, blasiger Schreibschrift, steht da: „Gott hat dein Wandern durch diese große Wüste auf sein Herz genommen.“

Ich gucke wohl ziemlich ungläubig, Marie erklärt: „Das nimmt mir ja nichts ab. Also, der“ – sie zeigt lächelnd nach oben – „nimmt mir ja nichts ab. Aber es tut gut, zu wissen: Da ist jemand, der sich das irgendwie zu Herzen nimmt. Dem das nicht egal ist, wenn ich durch die Wüste latsche.“ Marie lacht. Sie scheint das zu glauben. Ich gönne es ihr. Und frage mich gleichzeitig, warum ihr Gott nicht einfach Jobs schaffen kann, mit denen man über die Runden kommt. Aber vielleicht ist das gar nicht seine Aufgabe. Sondern unsere.

Sprecher: Daniel Schneider