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Kirche in 1Live | 12.10.2019 | floatend Uhr
Sitzen bleiben
Der Unterschied zwischen Schriftstellern und allen anderen Leuten“, sagt unsere Dozentin im Schreibkurs an der Uni, „ist, dass Schriftsteller mit dem Hintern auf dem Stuhl bleiben und weiterschreiben.“ Eine ganze Zeitlang redet sie darüber, wie viel Arbeit im Schreiben steckt, dass alle Schreibprofis eine Menge Müll produzieren, der direkt in den Papierkorb wandert, und manchmal stundenlang vor einem leeren Blatt Papier sitzen.
Aber sie lassen sich davon nicht entmutigen und machen einfach weiter. Irgendwann entsteht dann schon was Tolles. Auf dem Weg nach Hause komme ich an einer Kirche vorbei. Sie ist dunkel, die Tür ist zu. Schade eigentlich. Ich gehe ab und zu gern in eine Kirche rein. Ich mag es, in diesen alten Räumen zu sitzen, in denen es nach Kerzen riecht. Ich setze mich hin und denk über alles Mögliche nach. Beten ist das wahrscheinlich nicht. Aber manchmal schicke ich probeweise einen Gedanken nach oben.
Geantwortet hat mir bislang keiner.
Nach zehn Minuten bin ich meistens wieder draußen, aber immer fallen mir
ein-zwei Leute auf. Sie sitzen in ihrer Bank, manche bewegen die Lippen, ohne,
dass man etwas hört. Sie bleiben auch, wenn ich wieder rausgehe. So richtig
religiöse Leute halt. Und vielleicht ist das der einzige Unterschied zwischen
ihnen und mir. Vielleicht kriegen sie auch keine Antwort, wenn sie nach oben
denken. Aber sie bleiben. Und vielleicht kommt dann manchmal was.