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Kirche in 1Live | 18.03.2020 | floatend Uhr
Loslassen
Im Juni 2012 stand ich in 60 Meter Höhe
auf einem Kran. Auf der falschen Seite des Geländers. Um mich herum tosender
Wind. Der Kerl hinter mir versucht, mich davon zu überzeugen, dass ich
runterspringen soll. Und obwohl mir bewusst ist, dass ich freiwillig auf diesen
Kran gegangen bin, mehr noch, dass ich sogar Geld dafür bezahlt hab, von
besagtem Kran herunter springen zu dürfen, wollen sich meine Füße einfach nicht
bewegen. Meine Hände umklammern eisern das Geländer hinter mir.
“Wenn du loslässt, kann ich dich
schubsen!” ruft mir der Mann zu.
Ach wie nett aber auch, denke ich.
Mal ganz abgesehen von meinem ersten
Bungee Sprung: Ich hab ganz allgemein Probleme damit, loszulassen. Wenn mir zum
Beispiel auf der Arbeit ein Vorgesetzter blöd kommt, denke ich oft noch den
halben Feierabend darüber nach. Und führe morgens unter der Dusche ein
imaginäres Streitgespräch.
Am Ende hab ich dann gar nichts davon. Nur
einen unentspannten Feierabend.
Und am nächsten Morgen auf der Arbeit ist
sowieso wieder alles vergeben und vergessen.
Ich müsste einfach mal öfter loslassen.
Und zwar alles was nervig ist: Wut, schlechte Laune, Stress und Angst.
Auf dem Krank hab ich letztendlich doch
noch das Geländer losgelassen. Der freundliche Herr gab mir einen sanften
Schubs und ich segelte, an meinem Gummiseil befestigt, den Kran herunter. Das Beste
daran ist, dass du Loslassen kannst. Im freien Fall denkst du nämlich an rein
gar nichts. Dein Kopf ist völlig leer. Ein tolles, sehr sorgenfreies Gefühl,
Loszulassen. Ich kann es jedem empfehlen, aber unbedingt mit
Sicherungsseil.
Freddie Brumm, Düsseldorf