Upcycling

„Guck mal“, sagt Marie. Ich staune. Sie hat einen neuen Hocker im Wohnzimmer. Das heißt, „neu“ ist eigentlich das falsche Wort. Es ist eine alte Weinkiste vom Flohmarkt, sie hat sie abgeschliffen und lasiert. Das Polster drauf hat einen bunten Aufdruck. „Ach, das war so ein altes T-Shirt, das hab ich schnell umgenäht“, sagt Marie.

Ich bewundere sie zutiefst.

Marie ist ein Profi, wenn es um Upcycling geht. Also darum, alte, schäbige, scheinbar nutzlose Sachen in etwas Neues zu verwandeln. Marie hat auch eine Wanduhr aus einer alten Schallplatte, und ihre ausgelatschten Converse hat sie auf den Balkon gestellt und Tomaten darin eingepflanzt. Aus Trinkpäckchen und Tetra-Packs hat sie eine Tasche genäht, und ihre Balkonmöbel sind aus alten Holzpaletten.

Ich kann sowas nicht, obwohl ich ziemlich viel Zeug habe, das mich langweilt, das eigentlich raus sollte, mit dem ich nichts mehr anfangen kann. Aber vielleicht kann ich es auf andere Weise.

Jemand hat mal gesagt: „Mach aus allem ein Gebet.“ Und vielleicht hat das auch was mit Upcycling zu tun. Ich nehme meine Gedanken und Gefühle, die alt und abgenutzt sind. Das, was ich nicht mehr will, was mich belastet. Drehe sie nach allen Seiten, und entdecke vielleicht etwas, das mir vorher nicht bewusst war. Ich mache ein Gebet draus. Ich halte sie Gott hin. Und, wer weiß, vielleicht bekomme ich sie zurück, und es entsteht etwas völlig Neues draus.

Sprecher: Daniel Schneider

Redaktion: Daniel Schneider