Digitaler Spaziergang

Gefühlt hat ganz Deutschland gerade ein neues Hobby für sich entdeckt: Spazieren gehen. Ich gehör auch dazu. Ich könnte zu meiner Ehrenrettung jetzt sagen, dass ich vor Corona schon ziemlich viel durch die Gegend gelaufen bin, aber auch das würden wahrscheinlich die meisten jetzt von sich behaupten. Wie auch immer: die ganze Welt geht gerade spazieren. Und ich hab dabei mindestens zwei Typen von Spaziergängerinnen und Spaziergängern für mich ausgemacht: die mit und die ohne Handy. Der eine Teil läuft mit großen Augen durch die Natur, schaut sich vielleicht mal einen Busch genauer an oder lässt den Blick über den Aasee schweifen. Der andere Teil rennt durch die Gegend und guckt dabei permanent aufs Handy oder telefoniert (am besten auf Lautsprecher) lauthals mit Mutti.

Vor ein paar Jahren bin ich den Jakobsweg gegangen und auch da, ist mir dieses Phänomen schon aufgefallen. Nicht so krass, aber im Prinzip gab es auch hier zwei Gruppen: Gruppe eins lief einfach den Weg und Gruppe zwei hatte permanent Stöpsel in den Ohren. Ich hatte mir damals fest vorgenommen, mein Handy in der Tasche zu lassen und auch keine Musik zu hören. Mich hat es nämlich davon abgehalten, Menschen mit Musik auf den Ohren anzusprechen. Und da ich ganz allein gegangen bin, wollte ich genau das gerne machen: Menschen kennenlernen und mit ihnen ins Gespräch kommen. So hab ich echt krasse und total interessante Leute kennengelernt.

Natürlich kann man beim Spazierengehen für sich entscheiden allein zu bleiben und sich ganz bewusst mit dem Smartphone in der Hand abgrenzen. Aber manchmal liegt der wahre Schatz beim Spazierengehen in der Überraschung, was so alles da draußen passiert. Also wie wärs jetzt gleich mal mit ner kleinen Runde ohne Handy?!

Julia Fischer, Köln