Carim ist weg

Sechs Jahre lang hat Carim mit seiner Mutter und seinen Geschwistern in Deutschland gelebt. Sie waren aus Syrien geflüchtet, irgendwie zuerst in Schweden angekommen und dann ziemlich schnell bei uns gelandet. Carim und Laila waren fast jeden Tag im Jugendtreff. Sie haben da Hausaufgaben gemacht, gespielt, die Zeit mit ihren Freunden verbracht. Die beiden sprechen gut Deutsch, sind hier integriert, zuhause. Dann, kurz vor Weihnachten, sind die Geschwister auf einmal nicht mehr gekommen

Ihre Freunde, die in der selben Unterkunft wohnen, erzählen aufgeregt, dass die Polizei um kurz vor 6 Uhr morgens bei der Familie vor der Türe stand und sie mitgenommen hat. Sie konnten nur das Nötigste mitnehmen. Ein paar Tage später meldet sich Carim aus Schweden. Obwohl die Eltern getrennt lebten, wurden sie von den Behörden dort zusammengeführt. Nach sechs Jahren. Mit guten Deutschkenntnissen - in Schweden.

Ob alles so war, wie seine Freunde es erzählt haben? Keine Ahnung. Und sicher haben die Behörden nach Recht und Gesetz gehandelt. Aber Tatsache ist: Carim ist weg. Er ist nicht mehr hier, wo er integriert war. Er ist aus seinem Leben rausgerissen, muss neu anfangen.

Und da frage ich mich, wie wir in unserer Gesellschaft mit Menschen umgehen und was wir noch alles tun müssen, damit hier jeder einen Platz zum Leben findet und keiner Angst haben muss, plötzlich nicht mehr da zu sein.

Martin Kürble, Düsseldorf