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Kirche in 1Live | 05.11.2024 | floatend Uhr
Duzen und Verkaufen
Neulich habe ich ein Fahrrad verkauft. Das bin ich schon länger nicht mehr gefahren, und jemand hatte online auf meine Anzeige geantwortet. Die Frau war richtig begeistert und meinte, sie würde sofort kommen obwohl sie ne Stunde von mir weg wohnt, um das Rad abzuholen. Als sie dann endlich da war, haben wir uns das Rad zusammen angeschaut. Und sie hat dann ziemlich schnell gesagt: „Wir können uns doch duzen, wir sind ja ungefähr gleich alt.“
Vielleicht hat sie das nur gemacht, um nen besseren Preis zu bekommen, aber irgendwie wurde die ganze Situation sofort angenehmer. Mir kommt diese ganze Siez-Kultur in Deutschland oft total seltsam vor. Gerade, wenn man sich eigentlich sympathisch ist und dann trotzdem auf Distanz bleibt. Ich bin lieber schnell per Du – auch mit Leuten, die ich vorher nie getroffen habe und die ich vielleicht nie wieder sehe. Und auch mit Leuten, die viel älter oder viel jünger sind als ich. Das „Du“ schafft Vertrautheit. Ein Fremder wirkt gleich ein bisschen weniger fremd.
So gesehen ist es auch kein Wunder, dass alle Leute, die ich kenne mit Gott per Du sind. Schon die ganzen alten Gebete wie das Vater unser sagen „Du“ zu Gott, obwohl das wahrscheinlich der größte Altersunterschied ist, den man sich überhaupt vorstellen kann. Und noch was ist anders als bei der Sache mit dem Fahrrad-Verkauf. Das Du mit Gott ist keine Taktik, um mit nem Fremden den Preis runterzuhandeln – sondern wie mit einem zu reden, der einen garantiert nicht über den Tisch zieht.
Christian Schröder, Aachen
