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Kirche in 1Live | 07.11.2024 | floatend Uhr
Die Pioniere unter uns
Meine Eltern haben mir beigebracht, dass wir „den Ausländern helfen“. Sie haben das nicht direkt so gesagt. Aber Ausländer war das Wort, dass sie für alle benutzt haben, die entweder nicht typisch deutsch aussahen oder nicht Deutsch als Muttersprache hatten. Dabei war es egal, ob diese „Ausländer“ schon zwanzig Jahre in Deutschland lebten, wie die Familie meines Klassenkameraden Ozan, mit dem ich so oft Fußball gespielt habe.. Irgendwie hat sich bei mir festgesetzt, dass „wir“ „denen“ helfen müssen.
Ich hab lange nicht verstanden, was falsch daran sein soll. Ist doch gut, wenn man Leuten hilft? Ich hab lange nicht gemerkt, dass das immer nur Leute sieht, die Probleme haben, die irgendwie nicht allein klar kommen. Und besonders bei den sogenannten Gastarbeitern wird dann völlig übersehen, was die geleistet haben: Du kommst in ein Land, dessen Sprache du kaum sprichst, und musst hier dein Leben ganz neu aufbauen. Ob die Hilfe brauchen – wissen die wahrscheinlich selbst am besten. Dass sie Respekt verdienen, das weiß ich.
Die Autorin Jagoda Marinic nennt die erste Generation von Gastarbeitern „Pioniere“. Und dieses Wort gefällt mir. Es stellt den Mut in den Mittelpunkt. Den Mut, ins Ungewisse aufzubrechen, mit nichts als der Hoffnung auf ein besseres Leben. Diese Generation der Pioniere haben Unglaubliches geleistet – für sich selbst und für dieses Land. Fragt sich, wer hier wem mehr geholfen hat.
Christian Schröder, Aachen