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Kirche in 1Live | 06.02.2025 | floatend Uhr
Schubladendenken
Habt ihr euch schon mal gefragt, ob man jemandem seinen Charakter ansehen kann?
Spoiler: Nein, kann man nicht. Aber der Glaube daran hält sich hartnäckig und feiert grade ein Jubiläum.
Vor 250 Jahren hat der Schweizer Pfarrer Johann Caspar Lavater Bücher geschrieben, in denen er behauptet, aus Gesichtern Persönlichkeiten lesen zu können. Eine bestimmte Stirn stand für Klugheit, eine gewisse Nasenform für kalten Verstand, und ein festgelegter Augenabstand? Angeblich ein Hinweis auf List und Tücke. Klingt absurd, oder? Trotzdem waren Lavaters Bücher ein Riesenerfolg. Schubladendenken – es lebt bis heute.
Johann Lavater hat sogar versucht, seine Thesen wissenschaftlich zu untermauern und hat dafür die Proportionen von Gesichtern vermessen. Heute wissen wir: Das ist pseudowissenschaftlicher Unsinn. Ying Hu, die über dieses Thema forscht, hat herausgefunden, dass solche Theorien an Beliebtheit zunehmen – auch dank moderner Technik. Ich sag nur: Face-ID.
Menschen nach ihrem Aussehen zu katalogisieren, führt zu Ungerechtigkeit. Schon immer. Ob in der Forensik , wo Verdächtige schnell vorverurteilt werden, oder im Alltag: Vorurteile schaden allen.
Ich schlage vor: Vergesst das Schubladendenken. Den Charakter aus einem Gesicht ablesen zu wollen, ist nicht nur falsch, sondern ebenso unmöglich, wie den Inhalt eines Buches zu kennen, nachdem man den Einband betrachtet und abgemessen hat.
Sprecherin: Lisa Kielbassa
Redaktion: Pfarrerin Julia-Rebecca Riedel
