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Kirche in WDR 2 | 23.06.2025 | 05:55 Uhr
Wo ist das Licht?
21. Juni, Mittsommer in Schweden. Die Tage sind lang und hell. Das Fundbüro liegt etwas versteckt am Ortsrand, das schwedenrote Häuschen ist schon etwas verblasst. „Suchet, so werdet ihr finden“, hat jemand über die Tür geschrieben. Ob es heute überhaupt geöffnet hat? Doch, von innen klebt ein Zettel am Fenster: „Bitte klopfen!“ Hinter einer Art Tresen steht Jesus. „Guten Tag“, sagt er, „womit kann ich dienen?“
„Ähm... ich suche das Licht,“ sage ich. „OK…“ Jesus guckt etwas ungläubig. Denn so viel Licht wie hier im Juni, das gibt’s so schnell nicht wieder. 18 Sonnenstunden meldet die Wetter-App an diesem Tag. Dann guckt er wieder ganz aufmerksam, denn er merkt, dass mir wirklich etwas fehlt. „Manchmal kommt mir mein Leben so grau vor, weißt du? Wie der Januar in Dauerschleife. Kein Licht, kein Leben. Als wäre die Zeit stehen geblieben. Ist sie das? Also wenn jemand Grau sucht, ich könnte was hierlassen. Oder wenn jemand seine Routine verloren hat, ich hätte reichlich. Oder Nachrichten? Von Drohnen und Kriegen, von Zöllen und Wirtschafts-Chaos? Ich hab` hier noch einige, originalverpackt, manche schaue ich mir gar nicht mehr an.“
„Wo hast du denn das Licht zuletzt gehabt?“, fragt Jesus. „Das ist es ja. Ich kann mich erinnern, dass ich das Licht gerade noch gehabt habe. Ist gar nicht lange her. Ich bin mir sicher.“ Ich überlege. „Da war zum Beispiel diese Kerze im Flur, spät abends. Ich bin nach Hause gekommen und habe die kleine Flamme schon von draußen gesehen durch das schmale Fenster neben der Eingangstür. Dieses Licht sagt mir: Willkommen! Hier bist du zuhause. Hier wirst du erwartet. Und neulich bin ich aufgewacht vom Licht. Der Vorhang vor dem Fenster hat diesen Abstand von der Wand, etwa zehn Zentimeter. Das Sonnenlicht fällt einfach herein. Ist der Januar etwa vorbei? Wieso ist es erst kurz vor sechs und schon hell? Es ist schon so, dass ich das Licht gerade noch gehabt habe.
Ich mag es sehr, weiß du? Die hellen Tage um Mittsommer tun mir richtig gut. Das sind echte Stimmungsaufheller. Mal ist es hell, mal ist es warm. Aber ich suche noch etwas anderes. Meine Frau hat mich gestern in den Arm genommen, ganz fest. Das hat mir gutgetan – diese Nähe – diese Wärme. Wir haben dann ernsthaft noch mal zusammen überlegt, ob ich das machen soll mit der neuen Stelle. Noch mal etwas verändern. Beruflich. Und plötzlich habe ich es wieder gespürt.
Ich suche das Licht, weißt du?“
Redaktion: Rundfunkpastorin Sabine Steinwender-Schnitzius