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Hörmal | 08.06.2025 | 07:45 Uhr
Wunder mit klarem Versuchsaufbau
„Wunder gibt es immer wieder.“ Ist das so? Gilt das auch fürs Pfingstwunder? Das feiern die Christen ja heute auf der ganzen Welt.
Klar: ein Wunder passiert nie zweimal gleich. Aber: In der katholischen Kirche rechnen sie mit Wundern. Zugleich ist es wohl typisch für meine Kirche, dass sie immer wieder versucht, das Ganze in etwas „geordnetere“ Bahnen zu lenken. Und das gilt auch für den Heiligen Geist. Unter dieser Voraussetzung sage ich: Sie und ich haben heute vor einem Monat genau so ein kleines Pfingstwunder erlebt. Sicher: mit klarer katholischer Versuchsanordnung. Aber: dass der Heilige Geist da gewirkt hat, darauf hatten es alle Beteiligten angelegt.
Nun sollten wir zunächst mal auf den Versuchsaufbau beim Pfingstwunder schauen. Das steht ja in der Bibel. Da geht’s um die Apostel – Jesus ist da schon auferstanden. Und zunächst läuft es irgendwie gar nicht rund bei den Aposteln. Die ziehen sich zurück. Sie hocken im sogenannten „Obergemach“, in Jerusalem. Plötzlich kommt ein Brausen über sie. Ein gewaltiger Wind, Feuerzungen. Und dann drängt es die Apostel nach draußen. Sie erzählen allen auf den Straßen von dem, was sie bewegt. Besonders Petrus sticht dabei hervor. Der etwas mundfaule Fischermann vom See Genezareth. Auf einmal findet Petrus die richtigen Worte. Für die Bibel ist klar: Das war der Heilige Geist.
Soweit der Versuchsaufbau aus der Bibel. Jetzt zum wohl geordneten Pfingstwunder, das heute vor einem Monat passiert ist.
Am 7. Mai, hatten sich die Kardinäle ja eingeschlossen in die Sixtinische Kapelle: „Konklave“. Die Kardinäle sind in der katholischen Kirche bekanntlich jene Männer, die ein Papst höchstpersönlich als seine Treuesten erwählt. Und dafür dürfen die, wenn der Papst dann tot ist, den neuen Papst wählen. Darum geht’s ja beim Konklave. Ein klar geregeltes Prozedere. Und: Das ganze Verfahren ist bewusst so angelegt, dass der Geist ein Wörtchen mitredet. Die Kardinäle provozieren den sogar quasi, indem sie beim Einzug ins Konklave durch uralte Gesänge darum bitten, dass der Heilige Geist jetzt mal wirkt. Gut: Es kommt beim Konklave kein Brausen vom Himmel. Aber wer die Bilder live gesehen hat, als die Menge auf dem Petersplatz aus dem Schornstein den weißen Rauch aufbrausen sah, der hat mitbekommen: Auf einmal war da eine ganz andere Energie. Freude. Entzücken. In allen Sprachen ging die Botschaft in Windeseile um die Welt: „Habemus Papam“ – wir haben einen Papst!
Und dann tritt heute vor einem Monat der Mann auf den Balkon, der der „Nachfolger des Petrus“ genannt wird. Kein Fischer vom See Genezareth, sondern ein Mann aus Chicago. Mit dem hatte fast keiner gerechnet. Er vielleicht auch nicht. Als ich Leo XIV. sehe, heute vor einem Monat, da berührt mich dieser Moment der Schüchternheit. Sein ängstlicher Blick. Er weiß, was da gerade wie eine Wand auf ihn zurast: Eine Verantwortung fürs Ganze – lebenslang. Und als er dann zur Sprache findet, findet er blitzgescheit die richtigen Worte: „Friede sei mit Euch“! Und das am 80 Jahrestag des Weltkriegsendes in Europa. Wie gesagt: Es war ein Pfingstwunder mit klarem Versuchsaufbau. In geordneten „katholischen Bahnen“, aber: Da war schon ein besonderer Geist in der Luft, heute vor einem Monat.
Wunder gibt es immer wieder? Manchmal gibt es sie in einem kleineren Rahmen, in geordneten Bahnen. Aber: wie sang einst Katja Eppstein. Wunder gibt es immer wieder: Wenn sie dir begegnen, musst Du sie auch sehen.