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Kirche in WDR 2 | 02.06.2025 | 05:55 Uhr
Füße pflegen
Heute ist wieder Montag, und weil heute Montag ist ist das Wochenende auch schon wieder vorbei. Tja. Und für mich ist die alte Woche traurig zu Ende gegangen. Denn wir haben meine Patentante beerdigt. Sie hieß Elisabeth und war über 90. Ein gesegnetes Alter, sagen Menschen bei diesen Gelegenheiten. Ich sag’s auch. Und denke dabei an Vanillepudding mit Erdbeeren.
Und das kommt so. Ich war als Kind oft ein paar Ferientage bei ihr und ihrer Familie zu Besuch. Sie hat neben einem Bauernhof gelebt. Mit echten Kühen, einem Misthaufen und diesem ganz eigenen Geruch: eine Mischung aus Heu, Stall, Gummistiefeln und viel Sonne.
Kein „Erlebnishof“, kein Ziegen-Streicheln mit pädagogischer Begleitung. Das war einfach ein Bauernhof. Mit Katzen, kuhwarmer Milch am Abend und einem riesigen Garten. Und in dem gab es im Sommer vor allem eins: frische Erdbeeren. Und mittags, nach dem Essen, gab es in meiner Erinnerung immer dieses einen besonderen Nachtisch: Unten frische Erdbeeren aus dem Garten, und obendrüber schwerer, süßer, eiergelber Vanillepudding. Boah. Lecker. Serviert wurde der in spacigen Dessertschalen. Sie sahen ein bisschen wie verbogen aus. Als hätten sie in der Nähe einer Herdplatte gestanden. Durchsichtig waren sie und schimmerten in ihrem leicht rußigem Plastikdesign irgendwo zwischen 1978 und Raumschiff Enterprise.
Ehrlich: Nie wieder hat Vanillepudding so lecker geschmeckt. Obwohl es wahrscheinlich nur ein Topf mit Milch war, in dem Tante Elisabeth eine Tüte Pulver aufgekocht hatte. Aber es war Liebe drin. Und eben diese gartenfrischen Erdbeeren. Und mit der Milch und den Erdbeeren dieses Gefühl, dass alles gut ist. Dass niemand etwas von einem will, außer dass man die Schuhe ordentlich vor die Tür stellt und den Teller leer isst.
Als meine Tante nun gestorben ist habe ich an diese Bibelgeschichte denken müssen. Nach dem Tod Jesu sind seine Jünger wieder im Alltag versunken. Sie kommen schwer atmend vom Fischfang zurück. Da sehen sie einen Mann am Ufer. Der an einem Feuer hantiert. Sie sehen, dass er ihnen Frühstück gemacht hat. Gegrillten Fisch. Und im selben Moment erkennen sie: „Das ist ja der, den wir so sehr vermissen.“
Ich glaube, meine Patentante hat viel von Jesus kapiert. Ohne große Worte. Wenn sie dem schwitzenden Jungen, der vom Drachensteigen zurückkam einen Stuhl hingestellt und gesagt hat: „Iss erst mal.“ Eine patente Tante. Meine Patentante. Menschen wie sie bleiben wichtig. Die ihre Liebe nicht in Worte packen, sondern in eine Portion Pudding mit Erdbeeren.
Vielleicht sollte ich nach all den Jahren doch mal wieder Vanillepudding machen. Wie meine patente Patentante. Mit echten Erdbeeren. Und jemandem sagen: „Komm, iss erst mal.“ Hin und wieder und nicht nur an diesem Montagmorgen.