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Hörmal | 06.07.2025 | 07:45 Uhr
Martin Buber
„Alles wirkliche Leben ist Begegnung“ – Dieser Satz ist von Martin Buber, einem bedeutenden jüdischen Religionsphilosophen.
Er wird 1878 in Wien geboren. Der Vater ist ein liberaler Jude und wohlhabender Unternehmer. „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“, für Martin Buber, ein Satz, den er existenziell durchlitten hat. Als er drei Jahre alt war, ist seine Mutter, Elise Buber – eine Schauspielerin aus Odessa - über Nacht abgehauen. Hat Sohn und Mann (einfach) sitzen lassen – ohne ein Wort des Abschieds. Der kleine Martin hofft von nun an jeden Tag, dass seine Mutter zurückkommt. Vergeblich. Nach einem Jahr – da war er vier – teilt ihm seine gleichaltrige Freundin unmissverständlich mit: „Du wirst Deine Mutter nie wiedersehen“. Für Martin ein Schock. Das, was man heute eine traumatische Erfahrung nennt.
Von seinem Kindheits-Trauma befreit ihn seine Frau Paula Winkler. Er lernt sie an der Uni in Zürich kennen. Sie ist seine große Liebe - auf den ersten Blick! Und viele beneiden Martin um seine hübsche Frau. Für Martin ist die Begegnung mit Paula eine echte Begegnung. Das Gegenteil von dem, was er mit seiner Mutter erlebt hat und als „Vergegnung“ bezeichnet. Später schreibt er: „Alles wirkliche Leben ist Begegnung. Der Mensch wird am Du zum Ich“.
So wundert es nicht, dass der Religionsphilosoph von einem Glauben träumt, der nicht institutionell erstarrt ist, sondern in menschlichen Beziehungen lebt. Er selbst hält sich – obwohl tiefgläubig – nicht an die traditionellen Gebote.
1924 wird er Professor für jüdische Religionslehre an der Uni Frankfurt. Als die Nazi Diktatur ihm sein Leben zur Hölle macht, wandert er 1938 mit seiner Familie nach Palästina aus.
Er ist Zionist – verfolgt die Idee einer Heimatstatt für Juden in Palästina. Doch er sagt – und damit ist er top aktuell: Es muss ein binationaler Staat werden. Ein Land für zwei Völker. Eine friedliche Koexistenz von Arabern und Juden sei nur in einem gemeinsamen Staat möglich – nicht in einem jüdischen. Und: Man müsse die Einwanderung begrenzen, damit es nicht zu einem Ungleichgewicht von Arabern und Juden kommt.
Was für ein weitsichtiger Satz, blickt man heute auf Israel und Gaza.
1953 wird Martin Buber mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geehrt. Und -sehr zum Ärger seiner Freunde - nimmt er den Preis an und nicht nur das! Er fährt in das Land der Täter, in das Land der Mörder von 6 Millionen Juden. In der Paulskirche sagt er sinngemäß: Ich sehe eine neue Generation ist herangewachsen. Sie haben an den großen Verbrechen der Nazis keinen Anteil. Sie trifft keine Schuld.
Was für ein Paukenschlag! Was für eine großartige Geste von einem Mann mit dem Credo: „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“.
Quelle: 1956: Todestag des Philosophen Martin Buber, von Marfa Heimbach,
ZeitZeichen 13.06.2025
Redaktion: Rundfunkpastorin Sabine Steinwender-Schnitzius